Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 4.pdf/21

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Helikon spielt. Es stürzt sich mit doppelter Leidenschaft auf das Körperliche, auf die straffe Energie des männlichen, die weiche Grazie des weiblichen, die durch den organischen Verfall unterstrichene Tektonik des greisenhaften Leibes. Die schwelgerische Sinnlichkeit der Vlamen, die der Rubensschüler Faidherbe in die Barockplastik des Elfenbeins verströmt hatte, verliert bei den Deutschen, etwa bei Melchior Barthel, Leonard Kern, Mathias Rauchmüller den Schwung, das Temperament, das durch das Medium der Farbe im Bilde dies Übermaß physischen Gesättigtseins uns heute noch ästhetisch schmackhaft macht. Hier wird manches plump und derb, was bei dem großen Vorbild in seiner üppigen Lebensfülle von einer nie zu beruhigenden Spannung innerviert scheint.

Erst mit Balthasar Permoser erscheint die schöpferische Persönlichkeit, die, obwohl von Natur im Monumentalen beheimatet, auch in den beschränkten Ausmaßen, die dem Elefantenzahn von der Natur gesetzt sind, die mächtigen Harmonien zum Klingen bringt, denen das Barock seine stärksten dekorativen Wirkungen verdankt. Er übernimmt, im Zenith des Jahrhunderts geboren, Rubens’ Erbe in einem Sinne besonderer Art. Die Wucht und Fülle der flandrischen Körperlichkeit ist in der leichten Luft des Alpenvorlandes zu tänzerischer Beweglichkeit gelockert. Permosers Figuren haben oft einen spiraligen Aufbau; die Fronten wechseln in der Drehung der Achsen, die Knöchel knicken ein, die Arme verstärken den Effekt des Kontrapost. Die S-förmige Kurve springt z. B. in dem Herbst aus der Gruppe der Dresdner Jahreszeiten deutlich ins Auge (Tafel 22 a). In der Gruppe des Herkules mit der Omphale (Tafel 21 b) entsteht durch die idealen Verbindungslinien zwischen den Extremitäten der drei Figuren – man verfolge die linke Hand des Putto zum linken Ellbogen der Königin, deren Rechte, die Krümmung der Arme aufnehmend, den Schwung auf die rechte Schulter des Gebändigten weiterleitet, während dessen rechte Ferse mit der herabhängenden linken Hand die Schleife schließt – ein Rhythmus von ausgesprochen ornamentaler, d. h. letzten Endes architektonischer Stilbedeutung.

Bei Permoser berühren sich Sinnlichkeit und Inbrunst. Wie in der Pracht des Menschenleibes findet er in der seelischen Erschütterung des religiösen Empfindens die Impulse seines Schaffens. Wenn das Barock niemals die Gestalten der Erlösungsgeschichte aus den Augen verloren, in der Durchbildung des Kruzifixes die äußerste Grenze des realistisch Faßbaren erreicht hat, so gilt das für