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eine offene Nische in den Schaft eingefügt wurde. Auf der Rückseite entspricht dieser Lagerung eine etwas höher eingestellte Vase. Das Schweifwerk, das um diese hervortritt, gibt hier dem Schaft eine großzügigere Bewegung. Der auf der hinteren Breitseite der ovalen Chalzedonschale emporgeführte Aufbau hat hinten in einem Rollwerkschild mit der goldenen Medaille einer Reiterschlacht ein Hauptmotiv erhalten, das in dem ganzen Gewoge einen wirkungsvollen Ruhepunkt darbietet. Der auf der Vorderseite des Schalenaufbaues sitzende Herkules, wiederum aus Goldemail und Perlen gebildet, gewährt den Eindruck des Ausruhens des Helden nach der Arbeit. Daß der Erfinder damit zugleich auf die glückliche Regierung der Friedensjahre Augusts des Starken hinweisen wollte, das bestätigt er uns durch die lateinische Inschrift am Sockel. Die Chalzedonschale hat an der vorderen Breitseite eine goldene und natürlich von vielerlei Verzierungen umfaßte Ausgußschale angesetzt bekommen, die kompositionell als Vorstufe zu werten ist für das gleiche Motiv an der Dianaschale.

Diese auf Tafel 54 abgebildete Schale, die das Bad der Diana vorstellt, ist Melchior Dinglingers glücklichste Komposition. Darin ist das Motiv der von dem Geweih eines Hirschkopfes getragenen Chalzedonschale aufs innigste mit dem Inhalt der durch die Zierschale versinnlichten Fabel verschmolzen. Diese ovale Schale, deren spiegelnder Glanz der Politur sie mit Wasser erfüllt erscheinen läßt, bildet die Grotte des Bades der jungfräulichen Jagdgöttin Diana, die, von Aktäon überrascht, diesen in einen Hirsch verwandelt hat. Aktäon wird dann von seinen Jagdhunden zerfleischt. So ist also der von zwei Jagdhunden umsprungene Hirschkopf auf dem Sockel der des für seine Neugier gestraften Aktäon. Die Umschrift in dem Fries des Sockels: Discretion sert, Effronterie perd, läßt sich schon zwanglos auf die so dargestellte Fabel deuten. Doch es sind vorn und hinten unter der Schale auch noch zwei Frauen-Brustbildnisse auf Email gemalt und die Inschriften auf diesen Medaillons besagen, zugleich mit zwei kleineren Medaillons auf dem Kelch der Breitseiten der Schale, daß wir darin Mera und Kallisto zu erblicken haben, die wegen ihrer Vergehen bestraft wurden, indem die eine in einen Bären, die andere in einen Hund verwandelt wurde. So bezieht sich also die Umschrift des Sockels auch noch auf diese beiden Damen. Doch die Warnung: Effronterie perd erhält eine ganz persönliche Deutung, wenn man dabei an das Schicksal der Gräfin Cosel denkt, während die Gräfin Königsmark auch lange nach dem Erkalten der Beziehungen zu August dem Starken sich der Gunst des Herrschers erfreuen durfte.