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Lächeln quittieren. Auch die Szene auf dem Deckel, die ebenso teils in Goldemail, teils in Perlen hergestellt ist, in der zwei Kinder bei einem Ziegenbock einander mit vorgehaltenen Masken zu erschrecken suchen, während ein drittes hingelagert und von Hunden angebellt eine Traube verzehrt, bekundet die mit Humor gemischte Freude des vielfachen Kindervaters Dinglinger an kindlichem Spiel. Wichtiger ist, daß wir aus diesem Stück erkennen, daß der Meister dieser Spezialität der in Verbindung von Goldemail mit Perlen hergestellten Figürchen durchaus nicht fernstand, für die wir bei den vielen anderen einzelnen Nippes-Figürchen des Grünen Gewölbes im Inventar als Urheber fast nur den Frankfurter Goldschmied Ferbecq genannt finden. Kurz vor Beginn des Weltkrieges zeigte mir der Assistent an der Eremitage zu Petersburg, Herr A. von Kaull, zwei bis drei Dutzend Photographieen nach solchen in der Eremitage befindlichen, zumeist in gleicher Art hergestellten Nippesgegenstände, bei denen sicher für ein Dutzend schon aus den Photographien entnommen werden konnte, daß sie aus Melchior Dinglingers Werkstatt herstammen. Wir wissen ja, daß der Zar Peter der Große schon am 22. September 1711 das Haus Dinglingers besuchte und daß er dann 1712 vom 17. Bis zum 25. November sogar bei ihm gewohnt hat. So ist das Entstehungsjahr der Schale mit dem Kinderbacchanal bisher das früheste bisher bekannt gewordene Datum für die Entstehung dieser besonderen Gruppe kostbarer kleiner Kunstwerke und vermutlich war Dinglinger der erste, der in solchen Bijoux diese Verwendung monströs gebildeter Perlen, an die man seit den Anhängern der Renaissance nicht mehr gedacht hatte, wieder hat aufleben lassen.

Noch in anderer Hinsicht ist die Schale mit dem Kinderbacchanal für uns beachtenswert. Der Rand des Sockels ist mit Ranken belegt, die von einer Spiralwindung aus zunehmend stärker werdend von gleichen Ranken in Gegenschwingung aufgenommen werden und so von Spannung erfüllt sind. Der Rand des Deckels ist mit ähnlich geschwungenen Ranken bedeckt, die sich aber vom Boden mehr loslösen, die auch in ihren Schwingungen selbständiger geworden sind, in ihrem Wuchs sich zu gewölbten Bändern verbreitern und dann spalten mit eingerollten Endungen. Unter den Wölbungen ziehen wieder ähnliche schweifartige Windungen durch und auf den gewölbten Enden lagern auch schon weibliche Büsten. Diese Art von Schweifwerk ist von drängender Bewegung und kraftvollem Leben erfüllt. Wir haben schon ähnliches Schweifwerk als reines Flächenornament und gemischt mit Grotesken auf dem Spiegeldeckel