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Die Gruppe der beiden Hauptfiguren, der Diana und des Kentauren, ist nicht gegossen, sondern abgesehen von Ansatzstücken getrieben. Die Rücksicht auf die Kosten des Materials kann hierfür nicht bestimmend gewesen sein, mehr noch die althergebrachte Gewohnheit des Silberschmieds, auch größere Figuren zu treiben. Diese geht zurück bis ins hohe Mittelalter, wo ungleich mehr als in der Spätrenaissance ein Bedarf an größeren aus Silber hergestellten Gestalten und deren Köpfen oder Büsten zu berücksichtigen war. Denn damals gebrauchte die Kirche zur Aufbewahrung ihrer kostbaren Reliquien von Heiligen ganze Körperteile, Kopie, Büsten, Arme, die in Silber hergestellt wurden. Ja wir wissen noch aus der Mitte der 20er Jahre des 16. Jahrhunderts, daß der Erzbischof von Magdeburg, Markgraf Albrecht IV. von Brandenburg, sich zur Ausstattung der Stiftskirche zu Halle die lebensgroße Figur eines Heiligen hat in Silber herstellen lassen. Die Modelle dazu wurden seit dem Mittelalter in Holz geschnitzt. Es ist aber bei kleineren Figuren auch möglich, daß solche Modelle in Ton ausgeführt und in Metall gegossen wurden, damit dann diese Metallunterlage für die Treibarbeit benutzt werden konnte. So war also der Silberschmied, der die Treibarbeit ausführte, nicht notwendig, sondern nur in Ausnahmefällen, auch zugleich der Bildner des Modells. Das wird bei dem hohen Rang der Kunst unserer Gruppe auch hier vorauszusetzen sein. Das Zifferblatt der Uhr, das ebenso wie das des Augsburger Kunstschränkchens mit Tiefschnittemail verziert ist, hat den Stempel von Augsburg. Auch der schwarze, mit aufgesetzten gegossenen silbernen Ornamenten verzierte Ebenholzsockel steht der Augsburger Kunstweise nahe. Das Werk wurde aber 1610 von Kurfürst Christian II. in Prag gekauft. An beiden Orten waren damals Bildhauer tätig, denen die Herstellung des Modells der Gruppe wohl zugetraut werden könnte. In Augsburg Adriaen de Vries (um 1560–1627). In Prag neben A. de Vries, Paul von Vianen (um 1550–1614?), den Kaiser Rudolf II. 1603 aus München nach Prag als Kammergoldschmied berufen hat. Doch fehlt vorläufig noch gesichertes Material, um daraus auf einen bestimmten Meister schließen zu können, am ehesten scheint A. de Vries damit in Verbindung zu stehen.

Die Gruppe ist eines der künstlerisch vollkommensten Werke des Grünen Gewölbes. Die Körperformen des schreitenden Pferdes und ebenso auch des aus seiner Brust herauswachsenden männlichen Oberkörpers zeugen von eingehendster Kenntnis und Beherrschung der Naturformen, sowie des Spiels der