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aber diese Kennzeichen vorhanden sind, bleibt auch dann noch der frühe Ursprung gesichert, wenn die Fassung das Stück in eine Gefäßform einzupassen wußte, die den Stil und Charakter einer späteren Zeit trägt. In dem Kirchenschatz zu San Marco befinden sich mehrere tassenförmige Kumpen aus Halbedelsteinen. Hier hat die Fassung oft auf einen Fuß verzichtet bei der Adaptierung dieser antiken Gefäße zu kirchlichen Zwecken. In anderen Fällen, wo die Form des Gefäßes schlanker war, wird die Höhenrichtung durch Fuß und Deckel weiter entwickelt. Bekannte Beispiele dafür sind die beiden oft abgebildeten antiken Gefäße im Louvre, eine Sardonyxkanne und eine Kristallvase, die von Abt Suger ihren Fuß erhielten, während die obere Fassung schon im Orient gegeben worden war. Bei der Kanne, die als Henkelkrug in Stein entstanden war, hat der Fasser bei der Umbildung zu einer Kanne nicht alle Schwierigkeiten überwunden, während das Kristallgefäß, das ohne jeden Henkel oder Angriff gelassen wurde, in der Komposition glücklicher war, wenn auch der allzu hohe Metallhals die Wirkung des Bergkristallgefäßes beeinträchtigt. Das dritte Stück der gleichen Stiftung, die bekannte ägyptische Porphyrvase, die durch ihre Fassung zu einem Adler umgestaltet wurde, ist eine der glücklichsten Lösungen dafür, ein vorhandenes antikes Gefäß, dessen Schönheit und Kostbarkeit seines Materials noch besonders geehrt werden sollte, durch die Fassung zu einem einheitlichen Kunstwerk auszugestalten. Die Vase hatte schon ursprünglich eine besonders straffe Form erhalten, sie war sonst ganz schmucklos gelassen, auch nicht ursprünglich für eine Fassung vorgesehen. Es wollte der Künstler, denn es war ein Meister ersten Ranges, der diese Komposition geschaffen hat, die Vase durch die Fassung noch hervorheben in ihrer Erscheinung, darum bemühte er sich, gerade mit deren straffer Form durch strenge Stilisierung seinen Adler, der die Fassung bildet, in Einklang zu bringen. Die beiden eckigen kleinen Henkel am Hals des Gefäßes wurden zu den Schwunggelenken, die seiner Phantasie Flügel gaben, und jetzt konnte auch die straffe Form der Vase nach oben in dem steif gestreckten Hals des Adlers einen harmonischen und natürlichen Ausklang erhalten. Es mochte die hohe Fassung der vorgenannten beiden Gefäße dazu die Anregung gegeben haben. Das Stück ist gleichzeitig ein prachtvolles Beispiel dafür, daß die Phantasie des Mittelalters Gefäße in Tierform mit besonderer Vorliebe und durch die Stilisierung in künstlerisch hervorragender Weise zu bilden vermochte. Die Antike war darin vorangegangen, wie das