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darüber ist jedesmal der lateinische Name der in der Nische stehenden Tugend eingraviert. Die Zwickel darüber sind mit Rollwerk, in dessen Mitte ein Farbstein und an den Seiten schwebende Kindengel sind, besetzt. Die Wände der Rücklagen sind mit gegossenen silbernen, teils vergoldeten Grotesken bedeckt, die ein mit Baldachin überdecktes schwarzes mit Glasplatte besetztes Mittelfeld freilassen, vor dem in flachem Relief und bemalt sechs Könige aus Flötners Plakettenfolge stehen (Leitschuh 16. 9. 14. 18. 10. 8.) Darüber je eine Rosette mit aufgesetzter Perle. – Der Triglyphenfries hat noch Spuren von abwechselnd grüner und roter Bemalung. Die Deckplatte des Gebälkes ist über den Vorlagen mit durchbrochenem gegossenen Rollwerk und Maske, über den Rücklagen mit Platten mit geätzten Mauresken bzw. Blumenranken bedeckt. Auf den vier Ecken sitzen weißsilberne gegossene Drachen. Auf der mit grünem Samt überzogenen Deckplatte des Sockels sitzen silberne Eidechsen. – Der walmdachförmig in Absätzen ansteigende Deckel hat zunächst wieder auf schräger mit moosgrünem Samt bezogener Fläche Schmuckstücke mit Farbsteinen, dann ein senkrechtes Glied mit Perlmutter belegt und mit vergoldeten Knöpfen besetzt, darauf ein größeres eingeschweiftes Glied mit schwarzen Holzkanten, das mit hellem Stoff bespannt und mit vergoldeten durchbrochenen grotesken Beschlägen bedeckt ist und auf dem in jeder Mitte ovale Medaillons liegen, die in Relief gegossen die ruhenden weiblichen Gestalten der vier Elemente enthalten. Um die Medaillons auf grünem Samt geflochtene Goldschnüren. Zwischen den Groteskornamenten der Langseiten Beschläge auf bemaltem und mit je einer Granatschale besetztem Rollwerk. Auf den vier Eckkanten weißsilberne Ranken. – Auf der mit moosgrünem Samt bezogenen Deckplatte sitzen auf rotsamtnen, von geflochtenen Goldschnüren eingefaßten Schilden und Feldern Eidechsen, Heuschrecken, Frösche und Blumen, aus Silber gegossen und weiß gesotten. In der Mitte auf einem an den Wänden von durchbrochenem vergoldeten Ornament besetzten Sockel sitzt an einen Fels gelehnt über verschiedenen Steinen, zwischen denen kleine Pflanzen, eine silberne weibliche mit Edelsteinen geschmückte Gestalt. – Der Kasten ist wohl als ein Werk des Nürnberger Goldschmiedes Wenzel Jamnitzer (geb. in Wien 1508, Meister in Nürnberg 1534, † daselbst 1585) anzuerkennen; allerdings läßt die neben dem Nürnberger Beschauzeichen innen auf dem Rand vor dem Schloß befindliche Marke mit dem Hammer für die Ausführung nur auf einen anderen Meister schließen, der nach R 3140 Nicolaus Schmidt, Meister 1582, gewesen ist. Es spricht aber vieles dafür, daß der Entwurf zu dem Kasten von Wenzel Jamnitzer herrührt. Die Nürnberger Meister durften nur eine kleine Anzahl von Gesellen halten und halfen sich bei der Häufung von Aufträgen dadurch, daß sie für ihre Werke noch selbständige Meister beschäftigten. Auch was in Jamnitzers eigener Werkstatt ausgeführt wurde, kann nicht stets und in allem als seine eigenhändige Arbeit angesehen werden. Jamnitzer spricht schon 1568 von seiner „schweren Hand“. – Wenn sich ein Schreiben des Kurfürsten August im H. St. A. zu Dresden cop. 456 p. 216 vom 12. Dezember 1580 über ein „silbern Schreibzeug“, das W. J. „widerumb verneuert“, auf diesen Kasten bezieht, was immerhin möglich ist, obwohl der Kasten kein Schreibzeug ist, so geht daraus hervor, daß noch ein anderer Goldschmied damit zu tun hatte. Dieser sollte dem Empfänger des Schreibens erklären, wie man mit der Uhr und anderem an solchem Schreibzeug umgehen solle. Tatsächlich befindet sich noch heute in dem Sockel der den Kasten krönenden Figur ein Uhrwerk mit Schlagwerk aus der Entstehungszeit des Schmuckkastens. Das Uhrwerk ist leider zerstört, eine Uhr selbst fehlt, ebenso wie eine Verbindung des Uhrwerks mit dem Äußeren. Es scheint, daß bei einer späteren Erneuerung (zuletzt 1849 nach Zeitungsresten in dem Sockel) dauernd auf die Uhr verzichtet wurde. – Nach früheren Angaben war der Kasten ein Weihnachtsgeschenk des Kurfürsten Christian I. (r. 1586–1591) an seine Gemahlin. Er kam 1589 zur Kunstkammer. Christian I. müßte also das Erbstück seines Vaters als Geschenk benutzt haben. – Auf dem mit Jamnitzers Marke gestempelten Schmuckkasten V. 599 (Tafel 24) kommt der gleiche Triglyphenfries mit Schilden und Ochsenschädeln vor, was für den gleichen Ursprung der beiden Werke sprechen kann. Derselbe Triglyphenfries kommt aber auch auf einem Schmuckkasten des Berliner Kunstgewerbemuseums vor, der mit der Marke R 3120 des Nürnberger Meisters Hannß Straub, Meister 1568, † 1610, gestempelt ist. – Mag auch der Kasten nicht mit voller Sicherheit dem berühmtesten Nürnberger Goldschmied zugeschrieben werden können, so gehört er doch zu den höchsten Leistungen der deutschen Renaissancekunst. (50 : 54 : 36 – IV. 115.)