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weit in das freundliche Thal reichend, zu unsern Füssen hingebreitet liegt, und drunten von der sanften Anhöhe das Kloster Altenberg herüber schimmert, während schöngeschwungene ferne Berge das entzückende Bild abschliessen. Wem es vergönnt gewesen ist, von hier aus an einem sonnigen Maitage zur Zeit der vollen Blüthe auf die alte Stadt herabzublicken, wie sie in ihrem Frühlingsschmucke prangt und von der Blüthenfülle ihrer Obstwälder rings umkränzt ist, der wird gewiss lebhaft empfunden haben, warum Göthe im Werther nicht müde werden konnte, von dieser „unaussprechlichen Schönheit der blühenden und grünenden Natur“ zu reden.

Aber auch seinem Ausspruch: „Die Stadt selbst ist unangenehm“, werden wir beipflichten müssen. Die Strassen und Gässchen derselben sind eng und oft steil aufgehend; theilweise verbinden lange Treppen die oberen und unteren Stadttheile; und selbst das Niederlegen der engen Thorthürme und das Abreissen einzelner Stücke der Ringmauer hat dem Verkehr zwar bequemere Wege geöffnet, aber zur Verschönerung nicht beigetragen, da es unschöne Hinterpartien dem Auge blosgelegt hat.

Der ziemlich weite Weg vom Bahnhof nach der Stadt (20 Minuten) führt uns durch die zwischen der Lahn und Dill gelegene Vorstadt Langgasse, welche mit der jenseits der Dill gelegenen Neustadt von ländlichem Charakter, noch eine besondere Gemeinde unter dem Magistrate der Stadt bildet. An der schönen Hospitalkirche vorüber gelangen wir über die alte, schon im Jahre 1312 erwähnte Lahnbrücke in das Innere derselben. Ein näherer Weg für Fussgänger führt zu einer Furth über die Lahn, dann durch die sogenannte Ziegelpforte an schönen, den Hügel sich hinaufziehenden, mit schattigen Alleen versehenen Gärten vorüber, welche an die Zeiten des Reichskammergerichts erinnern, durch die Hauserstrasse in den Mittelpunkt der Stadt.

Wetzlar hat jetzt 5500 Einwohner, während zur Zeit

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August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/89&oldid=- (Version vom 1.8.2018)