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abwechselnd hier und in Kassel residirten, der Geburtsstätte Philipps des Grossmüthigen, dienen jetzt zum Zuchthause und Untersuchungsgefängnisse, in welchem auch Sylvester Jordan von 1839–45 in Haft gesessen hat. Erfreulicher als auf die vergitterten Fenster, aus denen uns bleiche und finstere Gesichter entgegen schauen, ist der Blick, den man von verschiedenen Punkten thalauf- und abwärts thut. Die Stadt mit ihren ehrwürdigen Kirchen zu unsern Füssen, das freundliche Thal, das man namentlich nach Süden hin weit geöffnet vor sich sieht, die steilen, zum Theil waldgekrönten Berge zu dessen beiden Seiten, kleine Seitenthälchen, die in dasselbe einlaufen, bilden eine Landschaft, deren Anmuth und mannichfaltige Reize wahrhaft überraschend sind. Mit allem Behagen kann man bei Erfrischungen aller Art die Aussicht nach Süden zu auf der von Lauben und Baumgruppen beschatteten Terrasse in „Bückings Garten“, einem der besuchtesten Erholungsorte der Marburger, geniessen. Hier bemerkt man auch an alten Mauerresten und Thürmen, dass das Schloss in früheren Zeiten eine weit grössere Ausdehnung hatte, als jetzt. In der That hat dasselbe auch noch im vorigen Jahrhundert als ein ziemlich fester Punkt gegolten, so dass, obwohl seine Aussenwerke nach dem Hubertsburger Frieden zum Theil geschleift worden, im Jahre 1809 eine nochmalige schonungslose Zerstörung durch die Franzosen erfolgen konnte, in welcher der 70 Klafter tiefe Schlossbrunnen verschüttet, und die umliegenden Gärten in wahre Trümmerhaufen verwandelt wurden.

Der Ursprung der Stadt Marburg verliert sich in das Dunkel der Vorzeit. So viel ist gewiss, dass der Ort, als er im Jahre 1193 von mainzischen Truppen verheert wurde, noch ein unbedeutendes Dorf war. Doch knüpft sich sein Aufblühen an die unmittelbar folgende Zeit. Obwohl indessen schon Landgraf Ludwig von Thüringen, der Gemahl Elisabeths, der Tochter des Königs Andreas

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August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)