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an Gott und in Sehnsucht zum Himmel.“ Unstreitig ist die Elisabethenkirche nicht nur das bedeutendste und schönste Kunstdenkmal des ganzen Lahnthals, sondern auch ein so edles Monument des primitiven gothischen Baustyls, wie kein zweites in Deutschland gefunden wird. In ihr sehen wir Einfachheit und Erhabenheit, Kühnheit des Entwurfs und Anmuth der Formen, Sicherheit des Massenhaften und Leichtigkeit des Aufstrebens in schönstem Einklang, und dabei tritt durchweg eine solche Reinheit des Styls hervor, dass die Harmonie, welche über den ganzen Bau gegossen ist, durch nichts gestört wird. Ihren harmonischen Formen liegt übrigens ein streng eingehaltenes Zahlenverhältniss zu Grunde; denn alle Dimensionen des Baus können auf den Pfeilerabstand oder die Breite des Seitenschiffs (18′) als Einheit zurückgeführt werden. Diese Einheit findet sich verdoppelt als Breite des Mittelschiffs und Höhe des Hauptportals (36′), vierfach als lichte Breite des Langhauses und innere Gewölbhöhe (72′), achtfach als Länge des Kreuzschiffs mit den Strebepfeilern, mithin als grösste Breite der Kirche (144′), sechsfach als Giebelhöhe (108′); endlich zwölffach als innere Länge mit Inbegriff des Portals (216′), dreizehnfach als äussere Gesammtlänge (234′) und fünfzehnfach als Thurmhöhe (270′). Obgleich schon im Jahre 1235, unmittelbar nach der Heiligsprechung der Landgräfin Elisabeth, der Baumeister, dessen Name nicht auf die Nachwelt gekommen ist, den Grundstein zum Chore gelegt hat, wurde die Kirche doch erst 1283 vollendet; die Zeit ihres Aufbaus fällt also theilweise mit der des Beginns des Kölner Doms zusammen. Dessenungeachtet hat sie einen weit primitiveren Charakter als dieser, dagegen weicht sie von der Bauweise der früheren Kirchen bedeutend ab. Die drei Schiffe ihres Langhauses sind von gleicher Höhe; das stark hervortretende Querschiff schliesst wie der Chor mit polygonenförmigen, durch fünf Seiten des Zehnecks

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August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)