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übrigens von Singhofen aus ein Führer geleiten muss. Der eine, eine kleine halbe Stunde von da entfernt, heisst die alte Burg, ohne dass jedoch irgend welches Mauerwerk auf das frühere Vorhandensein einer solchen schliessen lässt. Hier steht man auf der Höhe eines Felsvorsprungs, und blickt hinüber wider die steilen, waldbewachsenen Bergwände und fast mit Schwindeln in das tiefe, enge Thal, in welchem eine einsame Mühle zu uns heraufschaut. Ein waldiger Bergrücken, niedriger als die Höhe, auf der wir uns befinden, schiebt sich uns zur Rechten wie ein Vorgebirge in das Thal hinein, und nöthigt den Bach zu einer gewaltigen Krümmung. Es ist ein kostbares Stück wilder Gebirgsgegend, das wir hier überschauen. Von der alten Burg aus gelangt man ungefähr in einer guten Viertelstunde durch Wald an den zweiten Punkt, wo wieder ein Bergvorsprung eine sehr bedeutende Krümmung verursacht hat. Auf zwei Felspartien sieht man hüben und drüben in das eingeengte Thal hinab, das hier fast noch wilder und verschlungener erscheint. Um aber die Reize dieser wild romantischen Landschaft vollends zu geniessen, steigt man in dasselbe zu einer der Mühlen hinab, welche hier dichter bei einander liegen. Bei einer derselben, an einer starken Windung des Thals, treten die steilen Bergwände und Felsen so nahe zusammen, dass neben dem Bache nur für sie Raum geblieben ist. Hier befinden wir uns an einem einzig schönen, tief abgeschiedenen Plätzchen. Dicht rings umher Waldesgrün; ein Fleckchen blauer Himmel; das Wasser rauscht, das Mühlwerk klappert, der Kettenhund meldet den Fremdling an; der kräftig gebaute Müller in reinlichem Anzüge – es ist gerade ein Sonntagmorgen – erscheint und ertheilt freundliche Auskunft. Die Bienenstöcke, die an der Bergwand hinauf im Walde zu Dutzenden stehen, gehören ihm an. Ein weiterer Schutz, als der, welchen das Bellen des Hundes gewährt, ist in dieser bei Nacht schwer zu

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August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/218&oldid=- (Version vom 1.8.2018)