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Am 9. September um 3½ Uhr früh fuhr ein „Zeppelin“ über unser Haus, bald darauf hörten wir drei heftige Kanonenschläge und waren der Meinung, die Russen hätten unser stolzes Luftschiff beschossen. Offiziere erzählten später, es wären Bomben auf die russischen Stellungen geworfen worden. - Am Vormittag erschien in unserm Dorf ein junger, forscher Reiteroffizier, er ließ sein Pferd tränken und unterhielt sich mit den Dorfbewohnern. Eine Sattlersfrau brachte noch einige Zigarren für die Soldaten heraus, die sie während der Russenzeit mit großem Geschick versteckt gehalten. Der junge Offizier bat sich auch eine aus, steckte sie an und sagte schmunzelnd: „Das ist ja ganz etwas Besonderes." Unser alter 80jähriger Müller klopfte ihm auf die Schulter, erzählte ihm, er wäre 70 auch mit gewesen, nun wären seine Söhne mit, alle beim 1. Garde-Regiment zu Fuß. Da sagte er, bei dem Regiment hätte er auch gestanden. Auf einem Nachbargut von unserm Onkel kam derselbe junge Offizier in die Küche, hakte sich von der Wand einen Blechbecher und trank drei Becher voll Kaffee aus. Die Mamsell wollte noch eine Tasse holen, aber er meinte, das wäre nicht nötig, im Kriege ginge es auch so, und er ließ sich ein Stück Geburtstagskuchen des Inspektors dazu gutschmecken und sagte, Kuchen hätte er lange nicht gegessen. Wie sich später herausstellte, war dies

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Sally Innes Siegfried: Aus der Russenzeit Ostpreußens. Verlag von Hapke & Schmidt, Berlin 1915, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SiegfriedAusDerRussenzeitOstpreussens.pdf/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)