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Gott hat unser Heim sichtlich beschützt und nie werden wir aufhören, ihm dafür von Herzen zu danken. Die leeren Nachbargüter wurden zuerst von Flüchtlingen ausgeplündert und nun von den Russen, was sie nicht mitnehmen konnten, wurde unbrauchbar gemacht, seidene Blusen in Honigkübel gesteckt; Heringe, Gurken und Eingemachtes zusammen in den Keller geschüttet, die Möbel zerschlagen u. dgl. mehr. Auch auf unserm Vorwerk hatte die Bande so gehaust, daß die Leute zur Nacht alle hierher flüchteten. Nur der alte Schäfer mit seiner Frau blieb dort, er sagte aber auch in den nächsten Tagen mehrfach, nun könnte er es auch bald nicht mehr ertragen. Der Hof dort liegt jede Nacht voll russischer Truppen; die Scheunen werden nie zugeschlossen, denn sonst zerschlagen sie die Türen, sie holen sich doch heraus, was sie wollen. Sie futtern Garbenhafer und Klee in Unmassen, schlachteten sich dort 24 Schafe und die vier alten Zuchtböcke, Köpfe, Fell und Eingeweide ließen sie vor dem Stall liegen. Des Nachts mußte ich oft ans Fenster eilen, um zu sehen, ob es nicht auf dem Vorwerk brannte. Während der ganzen Russenzeit habe ich mich keine Nacht entkleidet, höchstens einmal die Schuhe ausgezogen. Die Töchter schliefen alle bei mir im Zimmer, mein Schwiegervater mit Pflegerin, die alte Frau Pfarrer und die beiden Stubenmädchen schliefen

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Sally Innes Siegfried: Aus der Russenzeit Ostpreußens. Verlag von Hapke & Schmidt, Berlin 1915, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SiegfriedAusDerRussenzeitOstpreussens.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)