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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

die er im von Gaudyschen Hause verbrachte, und seiner Erfolge hatte er sich nicht zu schämen. Ja, er wäre in der ursprünglichen Heimat seiner Voreltern vielleicht für immer geblieben, wenn ihn nicht der Tod seines Stief­vaters und die hilflose Lage der zum zweitenmale verwit­weten Mutter nach Kurland zurückgerufen hätten.

Daß aber die Saat, die er als Lehrer ausgestreut, nicht verloren war, daß sich im Gegenteil ein geistiges Band zwischen ihm und seinem Zögling auf Jahre hin erhielt, dafür sollte noch das Jahr 1813 einen Beweis geben. In der mörderischen Völkerschlacht vor Leipzig, – oder war’s in einer andern blutigen Schlacht jener Zeit, – ward auch sein Zögling an der Spitze seiner Soldaten zum Tode ver­wundet. Infolge der an den Tag gelegten Bravour war er von seinem König avanciert und mit einem Orden, wenn ich nicht irre, mit dem eisernen Kreuz dekoriert worden. Vor seinem Sterben hatte er den Wunsch geäußert, daß auch sein alter Lehrer, Pastor Reimer in Wahnen in Kur­land, davon benachrichtigt werde. Das war geschehen. Eine weiße Pyramide, die auf dem großen Bücherschrank im Studierzimmer meines Großvaters stand, trug den Namen „von Gaudy“ und barg das Schreiben, worin ihm der Heldentod dieses braven Offiziers mitgeteilt wurde, – etwas Ungewöhnliches allerdings, ein Grabdenkmal, das der Lehrer in seinem Studierzimmer zu Ehren seines im Kampf für König und Vaterland gefallenen Zöglings errichtet, – aber ein Denkmal, – dürfen wir wohl sagen, – das beide ehrt.

Doch – wir haben damit vorgegriffen. Es erübrigt uns noch, des näheren zu berichten, was sich vor und nach des Großvaters Heimkehr im Kreise der Seinen begeben hatte.



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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/80&oldid=- (Version vom 14.9.2022)