Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland | |
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hat, wie eine unschlachtige Magd, frisch aus dem „Gesinde“ (Bauerhof) gekommen, – „Trampeltier“ nannte sie meine Großmutter im Zorn, – wenn sie ins „Aufräumen“ und Staubwischen kommt, kein Papier auf dem andern und kein Buch neben dem andern läßt, gleichsam als wollte sie die Zerstörung Jerusalems aufführen, daß man hernach schier glauben könnte, es seien die Römer oder gar die Vandalen ins Land gebrochen. Darum keinen Tadel über den alten Magister! Ohnehin weiß eine gute Pastorin den Staub im Heiligtum ihres Mannes im stillen selbst abzuwischen, ohne daß er es merkt, oder ihm eins seiner Papiere verschoben oder verlegt wird. – Und daß der gute Mann, – der in diesem Punkte noch die allerstrengsten Quäker übertraf, – absolut keine Knöpfe an seinen Kleidern dulden wollte, sondern dies verhaßte Geschlecht überall durch Bänder ersetzte, das war doch noch lange kein moralisches Gebrechen, sondern nur ein Verstoß gegen die Mode und im Grunde nur eine Unbequemlichkeit, die er sich selbst auferlegte. – Und vollends seine Zerstreutheiten! Man erzählte freilich unter anderem von ihm, er sei, als er gerade bei seinem „Vesperbrot“ (fünf Uhr nachmittags) war, (– „Jause“ nennen’s die Wiener), – wo bekanntlich in Kurland zur Sommerszeit alles saure Milch ißt, – da unerwartet angekommener Besuch angemeldet wurde, zum Empfang hinausgeeilt und habe, statt mit einem chapeau bas, wie damals Sitte war, mit einem Milchspanndeckel oder einem großen Laib Schwarzbrot unter dem Arm, vor den Herrschaften seine Bücklinge gemacht. Aber was will das sagen, oder welches Hindernis für eine glückliche Ehe sollte das wohl abgeben? Hab ich doch selbst einen würdigen, alten Mann gekannt, von dem die böse Welt erzählte, er habe an einem fremden Ort, wo er zur Nacht blieb, in seiner Zerstreutheit seine Kleider schön lang ins Bett gelegt, sich selbst
Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/73&oldid=- (Version vom 21.9.2022)