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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

doch mit, närrische Frau. Den Wolfssumpf kennt Ihr. Seht Ihr gleich dahinter, hart am Kreuzweg, den großen grauen Stein, den der Blitz gespalten hat, und dem Spalt grad gegenüber, zwei Schritt von ihm, die Eiche. Die hab ich gepflanzt. Zwischen der Eiche und dem Spalt, — da, da liegt mein Geldchen, da liegt mein Tönnchen, — da liegt’s. Ha! ha!“ lacht er noch einmal höhnisch auf, — und weg war er. Die Großmutter erwacht.

Natürlich erzählt sie sofort ihrem Mann den seltsamen Traum. „Der Kreuzweg, der Stein, die Eiche, alles paßt zusammen. Ich bin wohl hundertmal dort vorübergegangen. Denk, Mann, wenn unser Friedrich doch noch zum Stu­dieren käme! Er hat doch wirklich einen guten Kopf!“ — „Ja, ja; wenn der Hättich ein Habich wär! Der Hahn fliegt auf den Zaun, der Storch über’s Dach; jeder nach seiner Macht.“

„Aber man könnte doch probieren, lieber Mann; ein bißchen nachgraben könnte doch niemand schaden.“

„Narrenspossen!“ rief ungeduldig der Alte.

„Wie kannst du das sagen, lieber Mann!“ fuhr sie fort. „Haben nicht die Lieberkühns im Schloß Pilten jetzt die dritte Tochter mit Silber ausgesteuert; drei Dutzend Eßlöffel allein! Und das alles aus den silbernen Aposteln, die er dort im alten Klostergang ausgegraben hat.“

„Mag sein; ob Lieberkühns ihr Silber gegraben oder sonst wo her haben, geht mich nichts an. Mit diesen Schatzgräbereien bleib mir vom Leibe; ich will davon nichts wissen und nichts hören. Man muß sich nicht lächerlich machen.“

Damit stand er auf, nahm sein Mützchen und ging in die Wirtschaft.

Wenn er aber geglaubt hatte, die Geschichte sei damit zu Ende, so war er in großem Irrtum. Einige Tage später hatte er in Geschäften nach Windau zu fahren. Als

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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/28&oldid=- (Version vom 7.9.2022)