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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

des Pastors völlig erfolglos bleiben mußten, wenigstens solange die Besitzer dieser Güter selbst die direkten oder in­direkten Förderer dieser Gebrechen waren. Daß es hierin anders werden könnte, daran war fürs erste nicht zu denken.

Man kann sich denken, daß nachdem einmal das Thema der Bauerzustände aufs Tapet gebracht worden war, es an Klagen über ihre Trunksucht, Dieberei u. s. w. nicht fehlte. Bald der eine, bald der andere hatte ein neues Pröbchen dieser Untugenden zu berichten. Die lange Liese mit ihren zahlreichen Heldenthaten blieb natürlich nicht aus.

„Das ist alles nichts gegen den Ehsten,“ rief mit sei­nem Diskant der alte Herbertson dazwischen. „Das ist ein andrer Schlag, als der Lette. Ich weiß davon ein Lied zu singen. Schlag ihn tot, so läßt er nicht von seinen Nicken. Ich denk noch jetzt nur mit Grauen an diese Kerls mit ihren langen Haaren und ihrer Bosheit. Es ist nichts zu schlecht, was er nicht gegen den Ssaksa[1] ausheckt. Wenn er sein kurrata[2] ruft, dann ist er zu allem fähig. Ha! wie die Kerls sich selbst hauen, wenn sie in Wut geraten. Ich war zuletzt meines Lebens nicht sicher. Darum verkaufte ich die ganze Bude und zog hieher. Ich komme mir hier wie im Paradiese vor. Freilich sie stehlen auch hier. Wie sollen sie nicht stehlen, zumal in unsern Rie­gen, so lange wir doch nachts dreschen müssen – und wir selbst die Nacht hindurch schlafen. Aber steht, wie ich, in der Nacht, meintwegen um zwei Uhr, auf und kommt ihnen auf den Pelz, — das hilft!“

So ging das Gespräch eine Weile fort. Hahn, der ruhig zugehört, nahm jetzt das Wort: „Mir scheint, meine­ Herren, doch noch etwas anderes nötig, um aus diesen Zuständen ­

  1. Deutsche.
  2. ehstnisches Verwünschungswort.
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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/156&oldid=- (Version vom 22.9.2022)