Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/129

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland



7. Eine Jagd.




Liegst du da noch, du guter, alter Stein, hart an der Einfahrt zum Pastorate Wahnen? Wie still und freund­lich sahst du zu meiner Zeit dir die Welt an mit deinem runden, rötlichen Angesicht! Einen „erratischen Block“ nannten dich die blinden Gelehrten. Als ob du so ein fahrender Tourist gewesen wärst, der sich aus langer Weile in allen Herrgottsländern umhertreibt und nicht weiß, wo er sich niederlassen soll. Nein, das warst du dein Leben lang nicht! Nur ein armer geplagter Dulder, ein lehr­reicher Vorgänger späterer Geschlechter, unter Qual und Glut geboren, unter Gletschereis begraben, gestoßen, ge­drängt, geschoben, gescheuert und geschliffen, bis eine gütige Sintflut dich hier absetzte, die Stürme schwiegen, die Sonne siegte, die Wasser zur Tiefe rannen und du Ruhe fandest hier vor unsrer Thür. Und was hast du nicht alles ge­sehen seit jener Zeit! Wie das Land auftauchte aus dem Wassergrabe, wie die Wildnis emporsproßte, wie allerlei Ungetüm sich fand und mit einander kämpfte, bis endlich das arme, schwache Gebild entstand, das mit seinem Geist und seinem Arm diese Wildnis lichten, die reißenden Tiere niederwerfen sollte. Ein langer, schwerer Kampf für die mit Stein und Knochen kümmerlich bewehrte Hand! — Und weiter sahst du, wie Völker auf Völker stießen, kamen und schwanden, bis endlich jene Fremdlinge in der Kutte

Empfohlene Zitierweise:
Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/129&oldid=- (Version vom 18.9.2022)