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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

„daß alle Volksbildung nur dann zum Heil ausschlagen kann, wenn sie Hand in Hand mit dem Glauben geht.“

Bald darauf fuhr des Großvaters Wägelchen vor. Er nahm Abschied. Das erinnerte auch Herrn v. Kagel an die Rückfahrt. Er zog die Uhr aus der Tasche:

„Denk! Es ist halb zwölf!“ rief er aus. „Auf Ehr! ich hätt es nicht gedacht. Wie hell die Nächte sind! Heda! Joseph!“

Sein Diener kam. „Laß den Kutscher vorfahren!“ Und bald darauf rasselte der Nachbar, der weder einen grünen Tisch, noch knallende Pfropfen gefunden hatte, etwas verstimmt über den verlornen Abend, in seiner grünen Olims-Kalesche mit seiner Schwägerin von dannen.

Durch die milde Abendluft hörte man die fröhlichen Stimmen der Johannisgäste, die sich gegenwärtig zum größten Teil um die hochaufgerichteten Teertonnen geschart hatten, welche eben jetzt in Brand gesteckt wurden. Als nun gar der Jäger Martin seine Schwärmer, Frösche und Feuerräder anzündete, war des Jubels und Hurrahrufens kein Ende. Auch ein paar Raketen brachte er glücklich zum Steigen, wobei leider leicht ein Unglück hätte passieren können; denn eine von diesen fiel gerade mitten unter die Pferde. Und so sanft und vernünftig die guten Tierchen sonst waren, solche Unterbrechungen vom Himmel herab kamen doch sonst zu selten in ihrer Praxis vor, als daß sie hätten ruhig bleiben können. Aber es waren glücklicherweise einige ver­ständige Leute bei der Hand, welche die wild gewordenen Pferde auffingen und die andern beruhigten. So ward denn auch dies ohne weiteres Malheur überstanden. Die Teertonnen fielen zu Boden, die Stimmen verhallten, und bald nach Mitternacht war der größte Teil der Feiernden auf dem Rückweg, um ja am Morgen auch in der Kirche zu sein.



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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/124&oldid=- (Version vom 17.9.2022)