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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

„Wie meinst du das?“

„Das ist doch wahrhaftig etwas, worüber unser eins nur trauern, was wir im besten Fall mit Schweigen be­graben können; denn unsre Rechte sind doch dadurch aufs empfindlichste gekränkt; und das zu verewigen; just, als bedankten wir uns dafür! Glaub mir, wir werden daran noch lange zu laborieren haben.“

„Im Gegenteil! Es war eine Notwendigkeit, eine For­derung der Zeit, — und weit davon entfernt, unser Ruin zu sein, hoffe ich, daß diese neue Ordnung sich für beide Teile als überaus heilsam erweisen wird. Ja, ich rechne von da an erst auf einen wirklichen Aufschwung unsrer Provinzen. Die Aufhebung der Leibeigenschaft in unsern Landen wird mit das schönste Blatt in dem Lorbeerkranz unseres unvergeßlichen Monarchen bleiben.“

Man setzte sich zu Tisch und das Gespräch nahm eine andere Wendung.

„Sag, lieber Mann, was wollte der arme Alte? Er schien so tief erschüttert, als er mit mir sprach.“

„Ach, es war wegen seines unglücklichen Sohnes, der wieder eine arge Schlägerei gehabt hat. Ich hoffe, wir werden den wilden Bären allmählich zähmen.“

„Gestatten Sie, Herr Baron,“ fiel der Großvater ein, „daß ich, da das Gespräch wieder auf ihn kommt, noch einmal seinetwegen das Wort nehme. Gewiß werden Ihre trefflichen Maßregeln dem jungen Mann sehr heilsam sein. Aber ich, wenn Sie erlauben, kenne ihn länger als Sie, und wenn ich bitten darf, verfahren Sie nicht zu streng mit ihm. Es ist eine wilde, unbändige Natur, ganz wie der Vater auch vor vierzig Jahren war; — er hat’s nur jetzt vergessen und ist überhaupt gegen den Sohn zu Zeiten hart, ja ungerecht gewesen. Dieser gehört zu den Menschen, die vor keinem Schwerte zittern, die aber keinem sanften

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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/121&oldid=- (Version vom 21.9.2022)