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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland

„Ach, Herr!“ begann der Alte, tief aufseufzend. „Mit schwerem Herzen komme ich zu Ihnen. Mein ältester Sohn treibt ein böses Wesen. Saufen und Schlägereien ohne Ende. Jetzt hat er wieder gestern bei einem Streite seinen Gegner so geschlagen, daß der unglückliche Mensch blutend und bewußtlos weggetragen werden mußte. Das giebt aufs neue Schmach und wohlverdiente Strafe für meinen Sohn. Diese Schande bricht mir das Herz; — und doch bessert er sich nicht. — Ich bin alt. Er sollte mir in dem Ge­sinde (Bauerhof) nachfolgen; aber das seh ich klar wie die Sonne, wenn er es in die Hände bekommt, dann werden wir beiden Alten nach Jahresfrist mit weißen Stöcken über Land gehen. Darum wollte ich Sie bitten, sprechen Sie das Gesinde meinem zweiten Sohne zu, — und ihn, — ihn (hier fing der Alte an laut zu schluchzen und verhüllte sein Angesicht), — ihn geben Sie unter die Rekruten.“

„Behrsing,“ sagte ruhig und nicht ohne Teilnahme der Baron, „was du da sagst, ist wahr, — leider wahr. Dein Sohn ist ein arger Raufbold; aber ihn unter die Soldaten[1] zu geben, — dazu kommen wir noch zeitig genug, und wenn ich’s thäte, würdest du und dein altes Weib das am wenigsten überleben. — Aber ich will ein Wort mit ihm reden, ein ernstes Wort, und er wird mich verstehen. Und dann werd ich ihn als Knecht[2] zu dem Ahring-Wirt geben; — du verstehst, ich werde es thun. Der Mann hat manchen wilden Hengst eingefahren; ich hoffe, er wird auch noch mit deinem Sohn fertig. — Und nun geh ruhig nach Hause.“

Unter Dankesbezeigungen und Thränen und Schluchzen

  1. Damals währte der aktive Dienst des russischen Soldaten 25 Jahre. Die Disziplin war eine barbarische.
  2. Auf ein Jahr verdungene Knechte durften nicht vor Jahresfrist die Stelle verlassen.
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Paul Seeberg: Aus alten Zeiten : Lebensbilder aus Kurland. J. F. Steinkopf, Stuttgart 1885, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SeebergAusAltenZeiten.pdf/119&oldid=- (Version vom 17.9.2022)