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IV.

Am Grabe eines gefallenen Mädchens. Den 13. Juli 1831.


Vigilate, quia nescitis diem, neque horam. Mth. 25. 13.

Wachet, denn ihr wisset weder den Tag noch die Stunde.


Jedes Grab, das da geöffnet wird, um die Ueberreste eines entseelten Christen in seinen Schoos zu nehmen, ist lehrreich nicht allein für lebenssatte Greise, sondern ganz vorzüglich für die Jugend, die auf ihre jungen Jahre trotzet, und den Herbst des Lebens noch ferne wähnt.

Wahr ist es, daß die Alten sterben müssen, denn dies zeigt uns die tägliche Erfahrung, dies die allmählige Abnahme der Lebenskräfte. Es kann aber auch die Jugend sterben, es erbleichen auch die jungen Wangen, es erlöschet auch die Jugendkraft. Dies sehen wir an diesem Grabe hier. Ein Mädchen, das wor wenigen Wochen noch froh und heiter war, das damals wohl noch kaum so nahe dem Ziele sich dachte, ein Mädchen von 23 Jahren und 10 Monaten, haben wir in dieses Grab hinabgesenkt.