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über die dänische Armee errungen und sich in Jütland festgesetzt. Alles versprach eine glückliche und baldige Beendigung des Krieges. Da überraschte die preußische Regierung, deren Haupt Friedrich Wilhelm IV. sich wie gewöhnlich von den europäischen Großmächten hatte einschüchtern lassen, die Welt mit einem im Namen des deutschen Bundes mit Dänemark abgeschlossenen Waffenstillstande, dem in der Geschichte jener Zeit übel berüchtigten „Waffenstillstande von Malmö“. Es war darin vereinbart worden, daß die siegreichen deutschen Truppen sich aus Jütland und den Herzogtümern zurückziehen, und daß die Herzogtümer selbst ihre eigene provisorische Landesregierung verlieren und dafür eine aus fünf Mitgliedern bestehende Kommission erhalten sollten, deren zwei von Dänemark, zwei von Preußen, und der fünfte von den beiden kontrahierenden Mächten zusammen zu ernennen waren. Zugleich wurden alle seit den Märztagen von den schleswig-holsteinischen Autoritäten erlassenen Gesetze und Verordnungen für ungültig erklärt. Dieser Waffenstillstand rief in ganz Deutschland die größte Entrüstung hervor. Die Landesversammlung von Schleswig-Holstein protestierte. Das Nationalparlament in Frankfurt, das durch dieses Vorgehen Preußens die Ehre Deutschlands schwer geschädigt und seine eigene Autorität mißachtet sah, beschloß am 5. September, den Waffenstillstand nicht anzuerkennen und die Sistierung der darin stipulierten Maßregeln zu verlangen. Aber nach verschiedenen vergeblichen Versuchen, auf Grund dieses Beschlusses ein neues Reichsministerium zu bilden, und sich vor dem Wagnis scheuend, die Autoritätsfrage zwischen ihm und Preußen auf die Spitze zu treiben, widerrief das Parlament am 16. September den Beschluß vom 5. mit der Erklärung, daß die Vollziehung des Waffenstillstandes von Malmö nun nicht mehr zu hindern sei. Diese Erklärung, welche den Sympathien des deutschen Volkes ins Gesicht zu schlagen schien, verursachte eine ungeheure Aufregung, deren sich die revolutionären Führer in Frankfurt und der Umgegend sogleich bemächtigten. Schon am nächsten Tage wurde auf der Pfingstweide bei Frankfurt eine große Volksversammlung gehalten. Aufregende Reden stachelten die Leidenschaften der Menge aufs äußerste an, und es wurden Beschlüsse gefaßt, welche die Mitglieder der Majorität des Nationalparlaments als Hochverräter an der deutschen Nation brandmarkten. Von allen Seiten kamen Zuzüge bewaffneter Demokraten; man versuchte einen Gewaltstreich gegen das Parlament, um es zur Zurücknahme der verhaßten Erklärung zu zwingen oder die als Hochverräter bezeichnete Majorität auszutreiben. Zwei hervorragende konservative Parlamentsmitglieder, der Graf Auerswald und der Prinz Lichnowski, fielen den aufgeregten Volkshaufen in die Hände und wurden ermordet, und dann folgte ein Kampf in den Straßen von Frankfurt, in dem die Aufständischen bald den rasch herbeigezogenen Truppen unterlagen.

Als ich auf meinem Wege nach Eisenach in Frankfurt ankam, biwakierten die siegreichen Truppen auf den Straßen um ihre Wachtfeuer; die Barrikaden waren noch nicht ganz hinweggeräumt; das Pflaster war noch mit Blutspuren befleckt; überall hörte man den schweren Tritt von Patrouillen. Nur mit Mühe machte ich meinen Weg nach dem „Gasthof zum Schwan“, wo ich einer Verabredung

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Carl Schurz: Lebenserinnerungen bis zum Jahre 1852. Berlin: Georg Reimer, 1911, Seite 095. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schurz_Lebenserinnerungen_b1_s095.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)