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zu befriedigen vermag, sein Genie wird sich gegen seine Bestimmung auflehnen. Als Bruchstück erscheint ihm jetzt alles was er thut, er sieht keinen Zweck seines Wirkens, und doch kann er Zwecklosigkeit nicht ertragen. Das Mühselige, das Geringfügige in seinen Berufsgeschäften drückt ihn zu Boden, weil er ihm den frohen Muth nicht entgegen setzen kann, der nur die helle Einsicht, nur die geahndete Vollendung begleitet. Er fühlt sich abgeschnitten, herausgerissen aus dem Zusammenhang der Dinge, weil er unterlassen hat, seine Thätigkeit an das große Ganze der Welt anzuschließen. Dem Rechtsgelehrten entleidet seine Rechtswissenschaft, sobald der Schimmer besserer Kultur ihre Blößen ihm beleuchtet, anstatt daß er jetzt streben sollte, ein neuer Schöpfer derselben zu seyn, und den entdeckten Mangel aus innerer Fülle zu verbessern. Der Arzt entzweyhet sich mit seinem Beruf, sobald ihm wichtige Fehlschläge die Unzuverläßigkeit seiner Systeme zeigen; der Theolog verliert die Achtung für den Seinigen, sobald sein Glaube an die Unfehlbarkeit seines Lehrgebäudes wankt.

Wie ganz anders verhält sich der philosophische Kopf! – Eben so sorgfältig, als der Brodgelehrte seine Wissenschaft von allen übrigen absondert, bestrebt sich jener, ihr Gebiet zu erweitern, und ihren Bund mit den übrigen wieder herzustellen – herzustellen, sage ich, denn nur der abstrahirende Verstand

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Der Teutsche Merkur. 4. Bd., 1789. S. 105-135. [Hofmann], Weimar 1789, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Universalgeschichte.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)