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kein neidischerer Amtsgehülfe, kein bereitwilligerer Ketzermacher, als der Brodgelehrte. Je weniger seine Kenntnisse durch sich selbst ihn belohnen, desto größere Vergeltung heischt er von außen; für das Verdienst der Handarbeiter und das Verdienst der Geister hat er nur Einen Maaßstab, die Mühe. Darum hört man niemand über Undank mehr klagen, als den Brodgelehrten; nicht bey seinen Gedankenschätzen sucht er seinen Lohn, seinen Lohn erwartet er von fremder Anerkennung, von Ehrenstellen, von Versorgung. Schlägt ihm dieses fehl, wer ist unglücklicher als der Brodgelehrte? Er hat umsonst gelebt, gewacht, gearbeitet; er hat umsonst nach Wahrheit geforscht, wenn sich Wahrheit, für ihn nicht in Gold, in Zeitungslob, in Fürstengunst verwandelt.

Beklagenswerther Mensch, der mit dem edelsten aller Werkzeuge, mit Wissenschaft und Kunst, nichts höheres will und ausrichtet, als der Taglöhner mit dem schlechtesten! der im Reiche der vollkommensten Freyheit eine Sclavenseele mit sich herum trägt! – Noch beklagenswerther aber ist der junge Mann von Genie, dessen natürlich schöner Gang durch schädliche Lehren und Muster auf diesen traurigen Abweg verlenkt wird, der sich überreden ließ, für seinen künftigen Beruf mit dieser kümmerlichen Genauigkeit zu sammeln. Bald wird seine Berufswissenschaft als ein Stückwerk ihn anekeln; Wünsche werden in ihm aufwachen, die sie nicht

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Der Teutsche Merkur. 4. Bd., 1789. S. 105-135. [Hofmann], Weimar 1789, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Universalgeschichte.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)