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seit dem der Mensch in der traurigen Selbstvertheidigung seine Kräfte nicht mehr unnütz verzehrt, seitdem es in seine Willkühr gestellt worden, sich mit der Noth abzufinden, der er nie ganz entfliehen soll, seitdem er das kostbare Vorrecht errungen hat, über seine Fähigkeit frey zu gebieten, und dem Ruf seines Genius zu folgen! Welche rege Thätigkeit überall, seitdem die vervielfältigten Begierden dem Erfindungsgeist neue Flügel gaben, und dem Fleiß neue Räume aufthaten! – Die Schranken sind durchbrochen, welche Staaten und Nationen in feindseligem Egoismus absonderten. Alle denkenden Köpfe verknüpft jetzt ein weltbürgerliches Band, und alles Licht seines Jahrhunderts kann nunmehr den Geist eines neuern Galilei und Erasmus bescheinen.

Seitdem die Gesetze zu der Schwäche des Menschen herunterstiegen, kam der Mensch auch den Gesetzen entgegen. Mit ihnen ist er sanfter geworden, wie er mit ihnen verwilderte; ihren barbarischen Strafen folgen die barbarischen Verbrechen allmählig in die Vergessenheit nach. Ein großer Schritt zur Veredlung ist geschehen, daß die Gesetze tugendhaft sind, wenn auch gleich noch nicht die Menschen. Wo die Zwangspflichten von dem Menschen ablassen, übernehmen ihn die Sitten. Den keine Strafe schreckt und kein Gewissen zügelt, halten jetzt die Gesetze des Anstands und der Ehre in Schranken.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Der Teutsche Merkur. 4. Bd., 1789. S. 105-135. [Hofmann], Weimar 1789, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Universalgeschichte.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)