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Im Winde fliegt; bald kehrt sie fröhlich wieder

Und reicht den Becher ihrem Sänger dar;
Er nimmt ihn segnend, und die Augen glänzen
Ihm freudig, weil den Becher Blumen kränzen.
      Er labt den Durst und fühlt ein neues Leben

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Und Freude kehrt in seine Brust zurück:

Malvina, spricht er, was die Götter geben
Ist alles gut! nur mögen wir das Glück
Nicht stets erkennen, und die Blicke streben
Stets höher auf, als weise das Geschick

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Es uns vergönnt; nie muß der Muth uns wanken

Und, was geschieht, laß uns den Göttern danken.
      Der Abend kommt, und an dem Himmel sinket
Die Sonne schon mit goldnem Abendschein,
Die Felder ruhn, und jedes Blümchen trinket

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Den hellen Thau, sein Leben zu erneun;

Da tritt der Greis, wo ihm die Ruhe winket,
Mit seiner Tochter in die Wohnung ein,
Er dankt den Göttern, und die Götter geben,
Daß Schlummer bald und Frieden ihn umschweben.

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      Die Zeit ist hin, und keine Harfe klinget

Vom Hügel her, wo Ossian gewohnt,
Die Stille herrscht, und ach! Malvina singet
Ihr Lied nicht mehr am Abend, wann der Mond

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_239.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)