Seite:Schiller Musenalmanach 1799 223.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Genuß des Vergangnen.


Gekrümmter schleicht ihr schon am Wanderstahe,
Und klagt des Lebens sinkenden Ruin:
Ha, statt zu klagen, nutzt die gute Gabe,
Die uns zum Trost des Himmels Gunst verliehn; –

5
Den Talisman, durch den, mit schnellern Flügeln

Als Schall und Licht, die Seele rückwärts eilt,
Und auf der Jugend reichbeblümten Hügeln
Im milden Strahl der Morgensonne weilt! –

O Phantasie! du bist’s, die, trotz der Schwere

10
Des trägen Körpers, Geisterschnell uns macht;

Ach, ohne dich wär’ in des Daseyns Sphäre
Ein Lichtpunct nur, und rings um tiefe Nacht.
Von dir beleuchtet glänzt in sanfter Helle,
Vergangenheit, wie die bethaute Flur

15
Im Mondschein, wie auf dunkler Meereswelle

Weit hinterm Schiff die langgefurchte Spur.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_223.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)