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Der neue Frühling.


Käme doch der Frühling! seufzt’ ich oftmals,
Daß der süße Blumenduft, das Flüstern
Holder Birken und das Lied der Lerchen
Meine heißen Thränen trocknen möchten! –

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Und in jedem Jahre kam der Frühling,

Und in jedem Jahre weint’ ich Thränen:
Töne, Blumen, holdes Baumgeflüster,
Alles ging wie scheu mir aus dem Wege,
Nichts, das meinen heißen Busen kühlte:

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Und ich flehte nicht mehr um den Frühling.

Kläglich kam er, kaum daß ich’s bemerkte,
Düster blickt’ ich in sein grün Gewebe,
Dachte: bist nicht besser als die andern! –

Hinter mir hört’ ich ein leises Rieseln,

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Wie wenn Bächlein über Kiesel jauchzen,

Hinter mir lief Wind durch das Gebüsche,
Seitwärts nickten alle Blumen freundlich,
Und in sanften röthern Strahlen spielte
Sonnenschein zum grünen Boden nieder.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_048.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)