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Wiegenlied.


Schlummre sanft! des Lebens Morgenröthe,
Des Genusses Augenblick ist dein.
In des Morgenschlummers stille Lethe
Taucht die Kindheit ihre Sorgen ein.

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Schlummre sanft! Noch ist dein Lächeln heiter,

Da dein Herz noch keine Sorge denkt,
Und der Engel, Unschuld, dein Begleiter
Deiner Kindheit Blumentritte lenkt.

Schlummre sanft! Der Täuschung Blüthenträume

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Finden in der Wirklichkeit ihr Grab.

Deiner Hofnung aufgeblühte Keime
Streift vielleicht der Sturm des Zufalls ab.

Schlummre sanft, wenn diese Blumen schwinden,
Unter Dornen scheiden Traum und Wahn,

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Und die stürmeschwarzen Wolken künden

Unsres Lebens schwülen Mittag an.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_040.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)