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Leicester.
Jetzt trinkt sie auch den bittern Kelch des Leidens.

Elisabeth.
Sie hat der Menschen Urtheil nichts geachtet.
Leicht wurd’ es ihr zu leben, nimmer lud sie
Das Joch sich auf, dem ich mich unterwarf.
Hätt’ ich doch auch Ansprüche machen können,
Des Lebens mich, der Erde Luft zu freun,
Doch zog ich strenge Königspflichten vor.
Und doch gewann sie aller Männer Gunst,
Weil sie sich nur befliß, ein Weib zu seyn,
Und um sie buhlt die Jugend und das Alter.
So sind die Männer. Lüstlinge sind alle!
Dem Leichtsinn eilen sie, der Freude zu,
Und schätzen nichts, was sie verehren müssen.
Verjüngte sich nicht dieser Talbot selbst,
Als er auf ihren Reiz zu reden kam!

Leicester.
Vergieb es ihm. Er war ihr Wächter einst,
Die List’ge hat mit Schmeicheln ihn bethört.

Elisabeth.
Und ist’s denn wirklich wahr, daß sie so schön ist?
So oft mußt’ ich die Larve rühmen hören,
Wohl möcht’ ich wissen, was zu glauben ist.
Gemählde schmeicheln, Schilderungen lügen,

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Friedrich Schiller: Maria Stuart. Tübingen: Cottasche Buchhandlung, 1801, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_111.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)