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Mortimer.
Wär er, wie ich, ein Zeuge eurer Leiden,
Der Sanftmuth Zeuge und der edlen Fassung,
Womit ihr das Unwürdige erduldet.
Denn geht ihr nicht aus allen Leidensproben,
Als eine Königin hervor? Raubt euch
Des Kerkers Schmach von eurem Schönheitsglanze?
Euch mangelt alles, was das Leben schmückt,
Und doch umfließt euch ewig Licht und Leben.
Nie setz’ ich meinen Fuß auf diese Schwelle,
Daß nicht mein Herz zerrissen wird von Qualen,
Nicht von der Lust entzückt, euch anzuschauen! –
Doch furchtbar naht sich die Entscheidung, wachsend
Mit jeder Stunde dringet die Gefahr,
Ich darf nicht länger säumen – Euch nicht länger
Das Schreckliche verbergen –

Maria.
 Ist mein Urtheil
Gefällt? Entdeckt mir’s frei. Ich kann es hören.

Mortimer.
Es ist gefällt. Die zwey und vierzig Richter haben
Ihr Schuldig ausgesprochen über euch. Das Haus
Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London
Bestehen heftig dringend auf des Urtheils
Vollstreckung, nur die Königin säumt noch,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller: Maria Stuart. Tübingen: Cottasche Buchhandlung, 1801, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Maria_Stuart_035.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)