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Welch ein Rath! rief sie, ich soll wohl ganz schwarz werden und ganz verschwinden, habe ich doch meine Schuld noch nicht bezahlet – Gehe, sagte der Alte, und folge mir! alle Schulden sind abgetragen.

Die Alte eilte weg, und in dem Augenblick erschien das Licht der aufgehenden Sonne an dem Cranze der Kuppel, der Alte trat zwischen den Jüngling und die Jungfrau und rief mit lauter Stimme: drey sind die da herrschen auf Erden: die Weisheit, der Schein und die Gewalt. Bey dem ersten Worte stand der goldne König auf, bey dem zweyten der silberne und bey dem dritten hatte sich der eherne langsam empor gehoben, als der zusammengesetzte König sich plötzlich ungeschickt niedersetzte.

Wer ihn sah’ konnte sich, ohngeachtet des feierlichen Augenblicks, kaum des Lachens enthalten, denn er saß nicht, er lag nicht, er lehnte sich nicht an, sondern er war unförmlich zusammengesunken.

Die Irrlichter, die sich bisher um ihn beschäfftigt hatten, traten zur Seite, sie schienen, obgleich blaß beym Morgenlichte, doch wieder gut genährt und wohl bey Flammen, sie hatten auf eine geschickte Weise die goldnen Adern des kolossalischen Bildes mit ihren spitzen Zungen bis aufs innerste herausgeleckt, die unregelmäßigen leeren Räume, die dadurch entstanden waren, erhielten sich eine Zeit lang offen und die Figur blieb in ihrer vorigen Gestalt. Als aber auch zuletzt die zartesten Aederchen aufgezehrt waren, brach auf einmal das Bild zusammen und leider grade an den Stellen die

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 10-145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_4-1795.pdf/153&oldid=- (Version vom 1.8.2018)