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Der Alte machte sogleich Anstalt die Steine in den Korb zu fassen, wozu ihm seine Frau behülflich seyn muste. Beyde trugen darauf den Korb gegen das Ufer an einen erhabenen Ort und er schüttete die ganze Ladung nicht ohne Widerwillen der Schönen und seines Weibes, die gerne davon sich etwas ausgesucht hätten, in den Fluß. Wie leuchtende und blinkende Sterne schwammen die Steine mit den Wellen hin, und man konnte nicht unterscheiden ob sie sich in der Ferne verloren oder untersanken.

Meine Herrn sagte darauf der Alte ehrerbietig zu den Irrlichtern, nunmehr zeige ich ihnen den Weg und eröfne den Gang, aber sie leisten uns den grösten Dienst, wenn sie uns die Pforte des Heiligthums öfnen, durch die wir dießmal eingehen müssen und die außer ihnen niemand aufschließen kann.

Die Irrlichter neigten sich anständig und blieben zurück, der Alte mit der Lampe gieng voraus in den Felsen, der sich vor ihm aufthat, der Jüngling folgte ihm, gleichsam mechanisch, still und ungewiß hielt sich Lilie in einiger Entfernung hinter ihm, die Alte wollte nicht gerne zurückbleiben und streckte ihre Hand aus, damit ja das Licht von ihres Mannes Lampe sie erleuchten könne. Die Irrlichter schloßen den Zug, indem sie die Spitzen ihrer Flammen zusammen neigten und mit einander zusprechen schienen.

Sie waren nicht lange gegangen, als der Zug sich vor einem grossen ehernen Thore befand, dessen Flügel mit einem goldenen Schloß verschlossen waren. Der

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 10-141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_4-1795.pdf/149&oldid=- (Version vom 1.8.2018)