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Mit einem stillen Blick nach dem Spiegel lockte sie bald schmelzende Töne aus den Saiten, bald schien ihr Schmerz zu steigen, und die Saiten antworteten gewaltsam ihrem Jammer; einigemal öfnete sie den Mund zu singen, aber die Stimme versagte ihr, doch bald lößte sich ihr Schmerz in Thränen auf, zwey Mädchen faßten sie hülfreich in die Arme, die Harfe sank aus ihrem Schoß, kaum ergriff noch die schnelle Dienerin das Instrument und trug es bey Seite.

Wer schafft uns den Mann mit der Lampe, ehe die Sonne untergeht? zischte die Schlange leise, aber vernehmlich; die Mädchen sahen einander an, und Liliens Thränen vermehrten sich. In diesem Augenblicke kam athemloß die Frau mit dem Korbe zurück. Ich bin verlohren und verstümmelt rief sie aus! seht wie meine Hand beynahe ganz weggeschwunden ist, weder der Fährmann noch der Riese wollten mich über setzen, weil ich noch eine Schuldnerin des Wassers bin, vergebens habe ich hundert Kohlhäupter und hundert Zwiebeln angeboten, man will nicht mehr als die drey Stücke und kein Artischocke ist nun einmal in diesen Gegenden zu finden.

Vergeßt eure Noth sagte die Schlange und sucht hier zu helfen, vielleicht kann euch zugleich mit geholfen werden. Eilt was ihr könnt die Irrlichter aufzusuchen, es ist noch zu hell sie zu sehen, aber vielleicht hört ihr sie lachen und flattern. Wenn sie eilen, so setzt sie der Riese noch über den Fluß und sie können den Mann mit der Lampe finden und schicken.

Das Weib eilte so viel sie konnte und die Schlange

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 10-135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_4-1795.pdf/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)