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um so mehr als er einige ansehnliche Posten in diesem Augenblick zu bezahlen hatte. Diese Laune des Vaters drückte ihn sehr, noch mehr die Gegenwart der Wände, der Mobilien, des Schreibtisches, die Zeugen seines Verbrechens gewesen waren. Seine ganze Freude war hin, seine Hoffnungen und Ansprüche; er fühlte sich als einen gemeinen, ja als einen schlechten Menschen.

Er wollte sich eben nach einem stillen Vertriebe der Waaren, die nun bald ankommen sollten, umsehen, und sich durch die Thätigkeit aus seinem Elende herausreissen, als die Mutter ihn bey Seite nahm und ihm mit Liebe und Ernst sein Vergehen vorhielt, und ihm auch nicht den mindesten Ausweg zum Leugnen offen ließ. Sein weiches Herz war zerrissen; er warf sich unter tausend Thränen zu ihren Füßen, bekannte, bat um Verzeihung, betheuerte, daß nur die Neigung zu Ottilien ihn verleiten können, und daß sich keine andere Laster zu diesem jemals gesellt hätten. Er erzählte darauf die Geschichte seiner Reue, daß er vorsetzlich dem Vater die Möglichkeit, den Schreibtisch zu eröffnen, entdeckt, und daß er durch Ersparniß auf der Reise und durch eine glückliche Speculation sich im Stande sehe, alles wieder zu ersetzen.

Die Mutter, die nicht gleich nachgeben konnte, bestand darauf zu wissen, wo er mit den großen Summen hingekommen sey, denn die Geschenke betrügen den geringsten Theil. Sie zeigte ihm zu seinem Entsetzen eine Berechnung dessen, was dem Vater fehlte; er konnte sich nicht einmal ganz zu dem Silber bekennen, und hoch und theuer schwur er, von dem Golde nichts angerührt zu haben. Hierüber war die Mutter äußerst zornig. Sie

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)