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ob Ferdinand, wie sie fürchtete, die Geschenke von dem entwendeten Geld gemacht habe? Sie eilte zu dem Kaufmann, der diese Art Geschmeide vorzüglich verkaufte, feilschte um ähnliche Dinge und sagte zuletzt: er müsse sie nicht übertheuern, denn ihrem Sohn, der eine solche Commission gehabt, habe er die Sachen wohlfeiler gegeben. Der Handelsmann betheuerte nein! zeigte die Preiße genau an und sagte dabey: man müsse noch das Agio der Geldsorte hinzurechnen, in der Ferdinand zum Theil bezahlt habe. Er nannte ihr zu ihrer größten Betrübniß die Sorte; es war die, die dem Vater fehlte.

Sie ging nun, nachdem sie sich zum Scheine die nächsten Preise aufsetzen lassen, mit sehr bedrängtem Herzen hinweg. Ferdinands Verirrung war zu deutlich, die Rechnung der Summe, die dem Vater fehlte, war groß, und sie sah nach ihrer sorglichen Gemüthsart die schlimmste That und die fürchterlichsten Folgen. Sie hatte die Klugheit, die Entdeckung vor ihrem Manne zu verbergen, sie erwartete die Zurückkunft ihres Sohnes mit getheilter Furcht und Verlangen. Sie wünschte sich aufzuklären, und fürchtete das Schlimmste zu erfahren.

Endlich kam er mit großer Heiterkeit zurück. Er konnte Lob für sein Geschäft erwarten, und brachte zugleich in seinen Waaren heimlich das Lösegeld mit, wodurch er sich von dem geheimen Verbrechen zu befreyen gedachte.

Der Vater nahm seine Relation gut, doch nicht mit solchem Beyfall auf, wie er hofte, denn der Vorgang mit dem Gelde machte den Mann zerstreut und verdrießlich,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)