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bewog sie ihn endlich ruhig zu bleiben, und durch stille Nachforschungen der Sache näher zu kommen.

Und leider war die Entdeckung schon nahe genug. Ottiliens Tante war von dem wechselseitigen Versprechen der jungen Leute unterrichtet. Sie wußte von den Geschenken, die ihre Nichte angenommen hatte. Das ganze Verhältniß war ihr nicht angenehm, und sie hatte nur geschwiegen, weil ihre Nichte abwesend war. Eine sichere Verbindung mit Ferdinand schien ihr vortheilhaft, ein ungewisses Abentheuer war ihr unerträglich. Da sie also vernahm, daß der junge Mensch bald zurückkommen sollte, da sie auch ihre Nichte täglich wieder erwartete, eilte sie, von dem, was geschehen war, den Eltern Nachricht zu geben und ihre Meynung darüber zu hören, zu fragen, ob eine baldige Versorgung für Ferdinand zu hoffen sey, und ob man in eine Heirath mit ihrer Nichte willige.

Die Mutter verwunderte sich nicht wenig, als sie von diesen Verhältnissen hörte. Sie erschrack, als sie vernahm, welche Geschenke Ferdinand an Ottilien gegeben hatte. Sie verbarg ihr Erstaunen, bat die Tante, ihr einige Zeit zu lassen, um gelegentlich mit ihrem Manne über du Sache zu sprechen, versicherte, daß sie Ottilien für eine vortheilhafte Parthie halte, und daß es nicht unmöglich sey, ihren Sohn nächstens auf eine schickliche Weise auszustatten.

Als die Tante sich entfernt hatte, hielt sie es nicht für räthlich, ihrem Manne die Entdeckung zu vertrauen. Ihr lag nur daran, das unglückliche Geheimniß aufzuklären,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)