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und sich also von dieser drückenden Last auf einmal befreyen könne. Er eröffnete seinem Freunde die Absicht seiner Speculation, der eine ausserordentliche Freude darüber hatte, und ihm alle mögliche Beyhülfe leistete, ja er wollte seinem jungen Freunde alles auf Credit verschaffen, das dieser jedoch nicht annahm, sondern einen Theil davon sogleich von dem Ueberschusse des Reisegelds bezahlte, und den andern in gehöriger Frist abzutragen versprach.

Mit welcher Freude er die Waaren packen und laden ließ, war nicht auszusprechen, mit welcher Zufriedenheit er seinen Rückweg antrat, läßt sich gedenken. Denn die höchste Empfindung, die der Mensch haben kann, ist die, wenn er sich von einem Hauptfehler, ja von einem Verbrechen durch eigene Kraft erhebt und los macht. Der gute Mensch, der ohne auffallende Abweichung vom rechten Pfade vor sich hinwandelt, gleicht einem ruhigen lobenswürdigen Bürger, da hingegen jener als ein Held und Ueberwinder Bewunderung und Preiß verdient, und in diesem Sinne scheint das paradoxe Wort gesagt zu seyn, daß die Gottheit selbst an einem zurückkehrenden Sünder mehr Freude habe, als an neun und neunzig Gerechten.

Aber leider konnte Ferdinand durch seine guten Entschlüsse, durch seine Besserung und Wiedererstattung die traurigen Folgen der That nicht aufheben, die ihn erwarteten, und die sein schon wieder beruhigtes Gemüth aufs neue schmerzlich kränken sollten. Während seiner Abwesenheit hatte sich das Gewitter zusammengezogen, das gerade bey seinem Eintritte in das väterliche Haus losbrechen sollte.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)