Seite:Schiller Die Horen 3-1795.pdf/75

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

alles schon als das seinige ansah. Er hatte zum erstenmal Gelegenheit, seine Kenntnisse, seine Geisteskräfte, sein Urtheil anzuwenden. Die Gegend sowohl als die Gegenstände interessirten ihn aufs höchste, sie waren Labsal und Heilung für sein verwundetes Herz, denn nicht ohne Schmerzen konnte er sich des väterlichen Hauses erinnern, in welchem er wie in einer Art von Wahnsinn eine Handlung begehen konnte, die ihm nun das größte Verbrechen zu seyn schien.

Ein Freund seines Hauses, ein wackrer aber kränklicher Mann, der selbst den Gedanken eines solchen Etablissements zuerst in Briefen gegeben hatte, war ihm stets zur Seite, zeigte ihm alles, machte ihn mit seinen Ideen bekannt, und freute sich, wenn ihm der junge Mensch entgegen, ja zuvorkam. Dieser Mann führte ein sehr einfaches Leben, theils aus Neigung, theils weil seine Gesundheit es so forderte. Er hatte keine Kinder, eine Nichte pflegte ihn, der er sein Vermögen zugedacht hatte, der er einen wackern und thätigen Mann wünschte, um mit Unterstützung eines fremden Capitals und frischer Kräfte dasjenige ausgeführt zu sehen, wovon er zwar einen Begriff hatte, wovon ihn aber seine physischen und ökonomischen Umstände zurück hielten.

Kaum hatte er Ferdinanden gesehen, als ihm dieser sein Mann zu seyn schien, und seine Hoffnung wuchs, als er so viel Neigung des jungen Menschen zum Geschäft und zu der Gegend bemerkte. Er ließ seiner Nichte seine Gedanken merken, und diese schien nicht abgeneigt. Sie war ein junges wohlgebildetes, gesundes und auf jede Weise gut geartetes Mädchen. Die Sorgfalt für

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/75&oldid=- (Version vom 1.8.2018)