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uns das nicht nothwendig, was wir in Verhältnissen brauchen, zu denen wir erzogen und gebohren sind? der Großvater würde mich nicht darben lassen, so wenig er des Vaters Verschwendung zugeben würde. Hätte er länger gelebt, hätte er klar eingesehen, daß sein Enkel auch werth ist, zu genießen, so hätte er vielleicht in dem Testament mein früheres Glück entschieden. Sogar habe ich gehört, daß der Großvater eben vom Tode übereilt worden, da er einen letzten Willen aufzusetzen gedachte, und so hat vielleicht blos der Zufall mir meinen frühern Antheil an einem Vermögen entzogen, den ich, wenn mein Vater so zu wirthschaften fortfährt, wohl gar auf immer verlieren kann.

Mit diesen und andern Sophistereyen über Besitz und Recht, über die Frage, ob man ein Gesetz oder eine Einrichtung, zu denen man seine Stimme nicht gegeben, zu befolgen brauche, und in wiefern es dem Menschen erlaubt sey im Stillen von den bürgerlichen Gesetzen abzuweichen, beschäftigte er sich oft in seinen einsamen verdrießlichsten Stunden, wenn er irgend aus Mangel des baaren Geldes eine Lustparthie oder eine andere angenehme Gesellschaft ausschlagen mußte. Denn schon hatte er kleine Sachen von Werth, die er besaß, vertrödelt und sein gewöhnliches Taschengeld wollte keineswegs hinreichen.

Sein Gemüth verschloß sich und man kann sagen, daß er in diesen Augenblicken seine Mutter nicht achtete, die ihm nicht helfen konnte, und seinen Vater haßte, der ihm überall im Wege zu stehen schien.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)