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glaubte denn der Sohn, daß der Vater wohl auch manchmal entbehren sollte, um ihn genießen zu lassen. Der Vater dagegen war ganz anderer Gesinnung; er war von denen Menschen, du sich viel erlauben und die deswegen in den Fall kommen denen, die von ihnen abhängen, viel zu versagen. Er hatte dem Sohne etwas gewisses ausgesetzt und verlangte genaue Rechenschaft ja eine regelmässige Rechnung von ihm darüber.

Nichts schärft das Auge des Menschen mehr als wenn man ihn einschränkt, darum sind die Frauen durchaus klüger als die Männer, und auf niemand sind Untergebene aufmerksamer, als auf den, der befiehlt, ohne zugleich durch sein Beyspiel voraus zu gehen. So ward der Sohn auf alle Handlungen seines Vaters aufmerksam, besonders auf die, die Geldausgaben betrafen. Er horchte genauer auf, wenn er hörte, der Vater habe im Spiel verloren oder gewonnen, er beurtheilte ihn strenger, wenn jener sich etwas willkührllch kostspieliges erlaubte.

Ist es nicht sonderbar, sagte er zu sich selbst, daß Eltern, indem sie sich mit Genuß allerley Art überfüllen, indem sie blos nach Willkühr ein Vermögen, das ihnen der Zufall gegeben hat, benutzen, ihre Kinder gerade zu der Zeit von jedem billigen Genusse ausschliessen, da die Jugend am empfänglichsten dafür ist! Und mit welchem Rechte thun sie es? Und wie sind sie zu diesem Rechte gelangt? Soll der Zufall allein entscheiden, und kann das ein Recht werden, wo der Zufall wirkt? Lebte der Großvater noch, der seine Enkel wie seine Kinder hielt, es würde mir viel besser ergehen; er würde mir es nicht am Nothwendigen fehlen lassen; denn ist

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)