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Patron, da er einmal nach dieser Waare lüstern ward, sollte auch die beste finden und besitzen.

Er selbst feyerte so wenig, als seine Abgesandten. Er gieng, fragte, sah und hörte, und fand bald, was er suchte in einem Frauenzimmer, das in diesem Augenblick das Schönste der ganzen Stadt genannt zu werden verdiente, ohngefähr sechszehn Jahr alt, wohlgebildet und gut erzogen, deren Gestalt und Wesen das Angenehmste zeigte, und das Beste versprach.

Nach einer kurzen Unterhandlung, durch welche der vortheilhafteste Zustand, sowohl bey Lebzeiten als nach dem Tode des Mannes, der Schönen versichert war, vollzog man die Heirath mit großer Pracht und Lust, und von diesem Tage an fühlte sich unser Handelsmann zum erstenmal im wirklichen Besitz und Genuß seiner Reichthümer. Nun verwandte er mit Freuden die schönsten und reichsten Stoffe zur Bekleidung des schönen Körpers, die Juwelen glänzten ganz anders an der Brust und in den Haaren seiner Geliebten, als ehemals im Schmuckkästchen, und die Ringe erhielten einen unendlichen Werth von der Hand, die sie trug.

So fühlte er sich nicht allein so reich, sondern reicher als bisher, indem seine Güter sich durch Theilnehmung und Anwendung zu vermehren schienen. Auf diese Weise lebte das Paar fast ein Jahr lang in der größten Zufriedenheit, und er schien seine Liebe zu einem thätigen und herumstreifenden Leben gegen das Gefühl häuslicher Glückseligkeit gänzlich vertauscht zu haben. Aber eine alte Gewohnheit legt sich so leicht nicht ab, und eine Richtung,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 4-46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_2-1795.pdf/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)