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Der Alte. Keines von beyden. Denn erstlich erfahren werden Sie nichts Neues, besonders da ich schon seit einiger Zeit bemerke, daß Sie gewisse Recensionen in den gelehrten Zeitungen niemals überschlagen.

Luise. Sie werden anzüglich.

Der Alte. Sie sind eine Braut und ich entschuldige Sie gerne. Ich muß Ihnen aber nur zeigen, daß ich auch Pfeile habe, die ich gegen Sie brauchen kann.

Baronesse. Ich sehe wohl wo Sie hinaus wollen, machen Sie es aber auch ihr begreiflich.

Der Alte. Ich müßte nur wiederhohlen was ich zu Anfange des Gesprächs schon gesagt habe; es scheint aber nicht, daß sie den guten Willen hat aufzumerken.

Luise. Was brauchts da guten Willen und viele Worte, man mag es besehen wie man will, so werden es skandaleuse Geschichten seyn, auf eine oder die andere Weise skandaleus, und weiter nichts.

Der Alte. Soll ich wiederhohlen, mein Fräulein: daß dem wohldenkenden Menschen nur dann etwas skandaleus vorkomme, wenn er Bosheit, Uebermuth, Lust zu schaden, Widerwillen zu helfen bemerkt, daß er davon sein Auge wegwendet; dagegen aber kleine Fehler und Mängel lustig findet, und besonders mit seiner Betrachtung gern bey Geschichten verweilt, wo er den guten Menschen in leichtem Widerspruch mit sich selbst, seinen Begierden und seinen Vorsätzen findet, wo alberne

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)