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oder undeutlicher vernahm. Eben so wenig konnte bey den vielen zuströmenden Neuigkeiten des Tages der politische Discurs vermieden werden, der gewöhnlich die augenblickliche Zufriedenheit der Gesellschaft stöhrte, indem die verschiedenen Denkungsarten und Meynungen von beyden Seiten sehr lebhaft geäusert wurden. Und wie unmässige Menschen sich deßhalb doch nicht des Weins und schwer zu verdauender Speisen enthalten, ob sie gleich aus der Erfahrung wissen, daß ihnen darauf ein unmittelbares Uebelseyn bevorsteht; so konnten auch die meisten Glieder der Gesellschaft sich in diesem Falle nicht bändigen, vielmehr gaben sie dem unwiderstehlichen Reiz nach, andern wehe zu thun und sich selbst dadurch am Ende eine unangenehme Stunde zu bereiten.

Man kann leicht denken, daß der Geheimerath diejenige Parthey anführte, welche dem alten System zugethan war, und daß Karl für die entgegengesetzte sprach, welche von bevorstehenden Neuerungen Heilung und Belebung des alten kranken Zustandes hofften.

Im Anfange wurden diese Gespräche noch mit ziemlicher Mässigung geführt, besonders da die Baronesse durch anmuthige Zwischenreden beyde Theile im Gleichgewicht zu halten wußte; als aber die wichtige Epoke herannahete, daß die Blokade von Maynz in eine Belagerung übergehen sollte, und man nunmehr für diese schöne Stadt und ihre zurückgelassenen Bewohner lebhafter zu fürchten anfing, äusserte jedermann seine Meynungen mit ungebundener Leidenschaft.

Besonders waren die daselbst zurückgebliebenen Clubbisten

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/73&oldid=- (Version vom 1.8.2018)