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Waffen, und begierig wieder einen Theil ihres Eigenthums zu ergreifen, eilte die Familie auf ein Gut, das an dem rechten Ufer des Rhein’s, in der schönsten Lage, ihr zugehörte. Wie erquickt fanden sie sich, als sie den schönen Strom wieder vor ihren Fenstern vorbeyfliessen sahen, wie freudig nahmen sie wieder von jedem Theile des Hauses Besitz, wie freundlich begrüßten sie die bekannten Mobilien, die alten Bilder und jeglichen Hausrath, wie werth war ihnen auch das geringste das sie schon verloren gegeben hatten, wie stiegen ihre Hoffnungen: dereinst auch jenseit des Rheines alles noch in dem alten Zustande zu finden!

Kaum erscholl in der Nachbarschaft die Ankunft der Baronesse, als alle alte Bekannte, Freunde und Diener herbeyeilten sich mit ihr zu besprechen, die Geschichten der vergangenen Monate zu wiederhohlen und sich, in manchen Fällen, Rath und Beystand von ihr zu erbitten.

Umgeben von diesen Besuchen ward sie aufs angenehmste überrascht, als der Geheimerath von S. mit seiner Familie bey ihr ankam. Ein Mann dem die Geschäfte von Jugend auf zum Bedürfniß geworden waren, ein Mann der das Zutrauen seines Fürsten verdiente und besaß. Er hielt sich streng an Grundsätze und hatte über manche Dinge seine eigene Denkungsweise. Er war genau in Reden und Handeln und forderte das Gleiche von andern. Ein consequentes Betragen schien ihm die höchste Tugend.

Sein Fürst, das Land, er selbst hatten viel durch den Einfall der Franzosen gelitten; er hatte die Willkühr

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/71&oldid=- (Version vom 1.8.2018)