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Die Sinne müssen immer nur blinde Briefträger sein, und nicht wissen, was Phantasie und Natur miteinander abzukarten haben –

würde schwerlich irgendeine vornehme oder geringe Dame sehr weit, am wenigsten ins Haus des Redners gebracht haben.

Ebenso ist es ein wenig unwahrscheinlich, dass die erhitzte, sinnenberauschte Julia solche lange Reden aber ihren Zustand gehalten haben werde, wie:

Mensch, dein Gesicht brennt fieberisch, wie dein Gespräch! Weh, auch aus dem meinigen, ich fühl’s, schlägt wildes, frevelndes Feuer. Lass uns das Licht suchen, ich bitte. Die aufgewiegelten Sinne könnten den gefährlichen Wink dieser Finsterniss merken. Geh! diese gährenden Rebellen könnten hinter dem Rücken des verschämten Tags ihre gottlosen Künste treiben. Geh unter Menschen, ich beschwöre dich. . . .
. . . . Wenn ich den Schlüssel zu meinem weiblichen Heiligthum an dich vertändle, womit du mich schamroth machst, wenn du willst? Was hab’ ich weniger zu verlieren als alles? Willst du mehr wissen, Spötter? Das Bekenntniss willst du noch haben, dass die ganze geheime Weisheit unsers Geschlechts nur eine armselige Vorkehrung ist, unsere tödliche Seite zu entsetzen, die doch zuletzt allein von euern Schwüren belagert wird, die – ich gesteh’ es erröthend ein – so gern erobert sein möchte, so oft beim ersten Seitenblick der Tugend den Feind verrätherisch empfängt?

Durch solche Gedanken in diesem Moment zeigt sie viel mehr Geist und viel weniger Verstand, als eine Italienerin in der Regel entwickeln dürfte, und fällt in die Rolle eines deutschen Professors. Mehr Blut und Wahrheit ist darin, wenn sie sagt:

Fiesco, wir sind Heldinnen, wenn wir unsere Tugend sicher wissen; – wenn wir sie vertheidigen, Kinder! (ihm starr und wild unter die Augen) – Furien, wenn wir sie rächen! – Höre. Wenn du mich kalt würgtest, Fiesco?

Im höchsten Grade unritterlich ist aber die Rache, die letzterer sich ausgedacht. Sie ist von einer widerlichen Roheit; kein Mann von Ehre, am wenigsten ein italienischer Cavalier, denen bei alter sonstigen Verderbtheit sicherlich Feinheit in diesem Punkt nicht abzusprechen ist, würde so etwas thun gegen eine Frau, die, wie gross auch sonst

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)