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alle schliesslich an ihn. Fiesco nennt seine Sanftmuth furchtbarer als des Neffen Trotz, Verrina nennt seine Ketten von Seide und hält ihm damit die glänzendste Lobrede, bezeichnet scharf den Unterschied zwischen dem guten und schlechten Staatswesen, das der Bänder ja unter allen Umständen bedarf. Tritt Doria dann selber auf, so ist sein erster Gedanke der der Gerechtigkeit, der zweite der der Liebe für den Staat. Wenn er seinem Neffen vorwirft, diesen zu untergraben, so gibt er ihm in zehn Worten eine sehr gesunde Lection in der Staatskunst, wenn er uns auch eine Schwäche verräth, die wir ihm nicht übel nehmen: die zu grosse Liebe für seine Verwandten; denn ist sie bei Menschen ohne Verdienst widerwärtig, so hat am Ende bei einem alten Helden jeder Beweis von Herzensgüte eher etwas Bestechendes. Heroisch aber erscheint er uns erst recht durch die Art, wie er sich in der Gefahr benimmt und den Gegner durch Grossmuth zu entwaffnen sucht, wenn er Fiesco schreibt:

Lavagna, Sie haben, däucht mich, Ein Schicksal mit mir – Wohlthaten werden Ihnen mit Undank belohnt. Dieser Mohr warnt mich vor einem Complot. Ich sende ihn hier gebunden zurück und werde heute Nacht ohne Leibwache schlafen.

Ist der Aufruhr nun aber doch ausgebrochen und will der Gegner sich nicht übertreffen lassen, sondern warnt ihn, ohne dass Andreas in dem nächtlichen Warner Fiesco selbst ahnt, auf die Flucht zu denken, so antwortet Andreas ihm ruhig:

Fiesco denkt edel. Ich hab’ ihn niemal beleidigt, und Fiesco verräth mich nicht.
Fiesco. Denkt edel, verräth dich, und gab dir Proben von beidem.
Andreas. So steht eine Leibwache da, die kein Fiesco zu Boden wirft, wenn nicht Cherubim unter ihm dienen.
Fiesco (hämisch). Ich möchte sie sprechen, einen Brief in die Ewigkeit zu bestellen.
Andreas (gross). Armer Spötter! hast du nie gehört, dass Andreas Doria Achtzig alt ist, und Genua – glücklich?

Sein grossartiges Vertrauen, das aus seinem guten Gewissen stammt, wird nichtsdestoweniger verrathen; in seinem Schmerz über

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)