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Was aber an Fiesco am meisten bezaubert, ist vor allem der Reichthum seiner Natur, die Unerschöpflichkeit; Adel der Bildung, Geist, männliche Schönheit, schneller Witz und Grazie, wie Feuer und Muth, – sie alle sind in ihm vereint, um die Schwachen und Empfänglichen nicht allein zu bezaubern, sondern ihn auch den Einsichtigen als zu grossen Dingen berufen erscheinen zu lassen.

Am eigenthümlichsten tritt diese Natur in dem humoristischen Verhältniss zum Mohren heraus, weil er sich da ungenirter gehen lässt. Der Mohr ist ein drolliger Schuft, und geistreiche Menschen wie Fiesco werden leicht durch den Witz bestochen. Sehr gut ist bei ihrer Bekanntschaft besonders der Beginn derselben, den der Mohr mit der Versicherung einleitet, dass er ein ehrlicher Mann sei: eine Behauptung, die bekanntlich um so verdächtiger macht, als sie öfter vorgebracht wird. Dass er sich den „Schurken“ gefallen lässt, aber sich den „Dummkopf“ verbittet, das charakterisirt den Mohren, und dass dies den Fiesco für ihn einnimmt, den letztern vortrefflich, wie auch, dass er, da ein Jesuit von ihm sagte, „dass ein Fuchs im Schlafrocke stecke“, erwidert: „Ein Fuchs riecht den andern.“ Das Vornehme seines Wesens spricht es aus, wenn er, da von seinem Namen die Rede ist, sagt:

Dummkopf! Er ist so leicht zu behalten, als schwer er zu machen war. Hat Genua mehr als den Einzigen? –

oder sich ärgert, dass er sich von einem Schurken loben lassen muss; endlich in jener classisch gewordenen Sentenz: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan, der Mohr kann gehen.“ So etwas konnte nur einem Dichterjüngling einfallen, der mit Shakspeare Verwandtschaft hatte.

Sehr fein ist auch Fiesco’s Verhältniss zu Verrina gedacht. Als eine reifere, productivere, begabtere Natur übersieht er den letztern bei weitem, und doch imponirt ihm dieser durch die unbeugsame Charakterfestigkeit, weil er fühlt, dass sein elastisches Wesen nichts gegen dieselbe vermag. Sie lieben sich beide, weil jeder hat, was dem andern fehlt, und Fiesco ist in dieser Empfindung vielleicht noch

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)