Seite:Schiller-Galerie.pdf/59

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Aufruhr gegen sie geräth. Diese wilde Empörung gegen die Natur wird zum Grundgedanken seines Wesens, den er sich unumwunden gesteht, wenn er sagt:

Ich habe grosse Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und, bei meiner Ehre! ich will sie geltend machen. . . . . Warum musste sie mir diese Bürde von Hässlichkeit aufladen? gerade mir? Nicht anders, als ob sie bei meiner Geburt einen Rest gesetzt hätte. Warum gerade mir die Lappländersnase? gerade mir dieses Mohrenmaul? diese Hottentottenaugen?

Der Künstler hatte die Winke, die hier gegeben sind, nur zu vervollständigen, dem Franz, der sich hier so wenig schmeichelhaft malt, noch jenes tückische, äusserlich gemessene, innerlich leidenschaftliche Aussehen zu geben, jenen Hang zur Reflexion zu markiren, das Versteckte, unheimlich Brütende des Charakters zu malen, wie es in seiner Erscheinung überall heraustritt. Es ist eine Stubenhocker-Natur; sind seine Wünsche und Leidenschaften der wildesten Art, so lässt ihn sein nervöses Temperament doch überall im Stich, sobald er Muth braucht. Feigheit und Grausamkeit sind Vettern, die fast immer zusammen auftreten, und auch bei Franz ist dies der Fall. Er ist ein blasser, rothhaariger sommersprossiger Mensch mit übereinander gekniffenen fahlen Lippen, der niemand gerade, sondern nur von der Seite oder von unten herauf ansehen kann, ein hoher Zwanziger mit einem unausgebackenen Bubengesicht, in dem nur die Stirn breit und mächtig entwickelt, das Uebrige unfertig ist. Franz ist eitel, also reich gekleidet, obwol die beständige innere Bewegung ihn es nur nachlässig besorgen lässt. Ebenso muss er vornehm aussehen selbst in der wildesten Leidenschaft; das Nesthähnchen einer alten Familie darf das Verwöhnte und Verweichlichte nicht vermissen lassen. Hat er wenig Muth, so fehlt es ihm weder an Geist und Scharfsinn noch an Phantasie, und gaben ihm die erstern reiche Hülfsquellen an die Hand, so lässt ihn die letztere im Bewusstsein seines erfinderischen Geistes seine Kraft sogar noch fortwährend überschätzen:

Schwimme, wer schwimmen kann, und wer plump ist, geh’ unter! Sie gab mir nichts mit; wozu ich mich machen will, das ist nun meine
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)