Seite:Schiller-Galerie.pdf/45

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Ich nannte es Rache und Recht. – Ich masste mir an, o Vorsicht, die Scharten deines Schwertes auszuwetzen und deine Parteilichkeiten gut zu machen – aber – o eitle Kinderei – da steh’ ich am Rande eines entsetzlichen Lebens, und erfahre nun mit Zähnklappern und Heulen, dass zwei Menschen, wie ich, den ganzen Bau der sittlichen Welt zu Grunde richten würden. Gnade – Gnade dem Knaben, der dir vorgreifen wollte – dein eigen ist die Rache. . . . Aber noch blieb mir etwas übrig, womit ich die beleidigten Gesetze versöhnen und die mishandelte Ordnung wiederum heilen kann –

und so die Lösung und Versöhnung der Greuel herbeiführt, in die er durch den tollen Uebermuth und Ungestüm der Jugend Schritt für Schritt immer tiefer hineingerathen, – so ist das, fürchten wir, wenigstens in dieser Form ein späterer Zusatz, eine Reflexion, die der Dichter selbst über Karl machte, als er das Stück überarbeitete.

Für die Darstellung des Künstlers sind uns durch die Andeutungen des Dichters hinlängliche Winke gegeben, da gleich im Anfang seine hohe, stolze und mächtige Gestalt erwähnt wird, später Franz ihn bei seinem Besuch auf dem Schlosse seiner Väter an dem wilden sonnverbrannten Gesicht, dem langen Hals, seinen schwarzen feuerwerfenden Augen, den finstern überhängenden buschigen Augenbrauen erkennt. Die Scene, in der wir ihn dargestellt sehen, ist der berühmte tiefsinnige Monolog, wo er, von dem Wiedersehen Amalia’s zurückkommend, mit verzweifelnder Seele an die Selbstvernichtung denkt und vor sich hinmurmelt:

Wenn der armselige Druck dieses armseligen Dings (die Pistole vors Gesicht haltend) den Weisen dem Thoren – den Feigen dem Tapfern – den Edeln dem Schelmen gleichmacht?

Verübt Karl alle möglichen Greuel und raisonnirt nachher empfindsam darüber, so ist dieser schreiende Widerspruch zwischen seinen Empfindungen und seinem Thun freilich nicht zu lösen: er lag noch in der Seele des Dichters selber, der einen fremden Menschen zeichnen wollte, und ihm doch immer die eigenen Empfindungen lieh.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)